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Wir stellen vor:

"Aus goldenem Becher" 
Briefe von Georg Britting an Alex Wetzlar
1939 und 1945 bis 1957

Herausgegeben von Ingeborg Schuldt-Britting

  • Alex Wetzlar war der ins Exil nach London emigrierte jüdische Freund Brittings, der seine Wurzel in Bayern hatte und sich stets als Deutscher fühlte. ......................................................................
  •  Diese nicht für die Nachwelt geschriebenen Briefe geben Einblick in eine nur schwer zu begreifende Zeit und Menschen, die in ihr lebten.

Preis 68,50 € zuzüglich Porto und Verpackung
Ebenfalls bei Peter Lang erschienen: 

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Bezugsadresse:
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Peter Lang GmbH
Europäischer Verlag für Wissenschaften
Eschborner Landstraße 42 - 50
60489 Frankfurt am Main

Tel. ++49/69/780705-0
Fax ++49/69/780705-50
E-Mail zentrale.ftankfurt@peterlang.com
Homepage: http://www.peterlang.com/all/index.cfm

Anfragen an: E-Mail Adresse
 


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 



Georg Britting
[1891 - 1964}
Vorträge des Regensburger Kolloquiums 1991

Herausgegeben von Bernhard Gajek/Walter Schmitz
 
 

erschienen bei
Peter Lang
Frankfurt am Main * Bern * New York * Paris * Wien
+
Buchverlag der Mittelbayerischen Zeitung
Regensburg


Weitere Informationen und Bestellung: 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 


Michael Herrschel

Theaterkritiken von Georg Britting

(zu seinem 111. Geburtstag am 17. Februar 2002)
 

Die Zahl 111 galt bei den alten Arabern als Symbol des Narrsinns. Ich weiß nicht, ob der Dichter des „Irdischen Tags“ es als narrsinnig empfunden hätte, seine frühen Zeitungstexte ihrem schlummernden Schicksal zu entreißen, sie daran zu hindern, umgeben von altehrwürdigen Archivmauern in friedvollem Inkognito und allmählicher Zerrüttung des Papiers den Elementen anheimzufallen. Wie auch immer – gegen die Neugier ist kein Kraut gewachsen. Der Mantel des Schweigens ist fortgeweht, jetzt gibt es kein Entrinnen. Und wir steigen tief hinab in den Schacht der Vergangenheit.

Neunzehnhundertzwölf. Blüte des Expressionismus. Arnold Schönbergs spukhaft-phantastisches Melodram „Pierrot Lunaire“ stößt auf entrüstetes Unverständnis des Publikums. Gottfried Benn schockiert die Leser seines ersten Lyrikbandes mit anatomischen Beschreibungen aus dem Schauhaus. Die Zeitschrift „Der Brenner“ in Innsbruck beginnt, rätselhafte kaltleuchtende Gedichte von Georg Trakl zu veröffentlichen. Max Reinhardt, mit 39 Jahren ungekrönter König der deutschen Bühnen, inszeniert die Uraufführung der Novität „Ariadne auf Naxos“ von Strauss und Hofmannsthal. Gerhart Hauptmann – ihm wird in diesem Jahr der Nobelpreis für Literatur zuerkannt – gibt seinen Roman „Atlantis“ zum Druck, ein Werk, das in erschreckender Vision den Untergang der „Titanic“ vorwegnimmt.

Fernab von alledem, in einer kleinen, seit hundert Jahren schier von aller Welt vergessenen südlichen Stadt gibt es einen jungen Mann, wohnhaft bei seinen Eltern in einer Gasse an der Donau, der alles daransetzt, sich mit dem einprägsam abgekürzten Familiennamen „Tting.“ als Theaterkritiker unbeliebt zu machen. Er wird sich freischreiben, wird zwei Jahrzehnte später in die Literaturgeschichte eingehen: mit einem Hamlet-Roman, den er notabene nicht in Regensburg, sondern im Lechtal in fieberhaftem Tempo aufs Papier wirft. Will man Georg Britting an der Wurzel fassen, so lese man dieses Buch und seine Gedichte der zwanziger Jahre. Möchte man von der Krone seines Werkes etwas erschauen, so folge man der Wiedergeburt der Jahreszeiten in seinem „Unverstörten Kalender“, so suche man seine Sonette über den Tod, so betrachte man scharf und genau seine späten Erzählungen, die ein unsentimentales Gedenken an den Heimat-Ort sind, der ihn recht spät und recht vorsichtig blinzelnd anerkannt hat und sich gern vorbehält, dies gelegentlich zu widerrufen, gerade so, als säße der Schrecken über ein Geistiges, das von hier ausgeht, noch immer tief.

Was heute rezitiert wird, ist Vorgeschichte, ist weder Wurzel noch Krone, und ist doch das Samenkorn, aus dem der junge Schößling entspringt. Er befreit sich, dringt durch harten Boden. Er wächst nach oben und windet sich nicht. Das macht ihn stark und interessant im Streit, dessen Anlaß lange vergessen ist. Und dennoch: an der Aktualität einer unbestechlichen, kritischen und selbstkritischen Aufrichtigkeit kann keine noch so vergilbte Jahreszahl etwas ändern. Kompromißlosigkeit in künstlerischen Fragen ist unbedingt sympathisch, und ist es umso mehr angesichts der Selbstbehauptung eines unteren Mittelmaßes, dem gestern wie heute der Kompromiß über alles geht.

So bitte ich nun die Schauspieler: kommen Sie heraus und halten Sie Gerichtstag, lassen Sie Brittings Verdikte über Ihre eigenen Vorgänger in sprachmächtiger Unnachgiebigkeit und leidenschaftlich erbitterter Mitteilungsfreude, aber nicht ohne den irrlichternd illuminierenden Funken, nicht ohne weisen Narrsinn hören.