Anhang Band 1 Seite 561 bis 565 zum Band 1


ZU DIESER AUSGABE......................................... 561

 Die vorliegende Edition sämtlicher Werke Georg Brittings ist als eine Studienausgabe angelegt: Sie umfaßt alle Teile des Gesamtwerkes und gibt überdies einen Überblick über die werkgeschichtlich wichtigen Dokumente. Dazu zählen auch solche Illustrationen, die von Künstlem wie Josef Achmann, Hans Lasser, Otto Nückel und Max Unold eigens für die Werke B.s geschaffen wurden und die oft so eng in die Entstehung jener Texte verflochten sind, daß sie eine-zeittypische-Schaffensgemeinschaft des Dichters mit dem bildenden Künstler bezeugen können. Im Anhang werden Entstehung und Wirkung der Werke jeweils dokumentiert und um einen werkbiographischen Überblick ergänzt; die wenigen notwendigen Sacherläuterungen werden in Anmerkungen geboten, die auch die seltenen Quellen verzeichnen.
Tatsächlich entzieht sich B.s Werk weitgehend dem philologischen Quellennachweis; auch fehlen - trotz der größtenteils erhaltenen Bibliothek - genaue Lektürenachweise, eigene werkbezogene Vergleiche mit anderen Autoren und sogar Selbstdeutungen fast völlig. Noch am 11.Februar 1961 schrieb B. an Hans Bender: )Ich würde Ihnen ja gerne etwas Poetologisches zu meiner Lyrik schreiben, wenn ich das nur könnte. Ich kanns und kanns nicht [...]a. (Briefe an Hans Bender, hg.v. Volker Neuhaus, München: Hanser / Köln: Kulturkreis im Bundesverband der Deutschen Industrie 1984, S.55) Der Verzicht auf Quellenmontage, die Wendung zum ursprünglichen ›Bild‹ und zu einer betont nicht-)literarischem Bildsprache gehören zum Antihistorismus von B.s Generation, die sich bereits gegen die artistischen Verfahren der ›Moderne‹ seit igoo wendet: Nicht die positivistische Entschlüsselung, sondern die hermeneutische Deutung öffnet daher den Zugang zu B.s Werk. Entsprechend knapp nur konnte der Stellenkommentar unserer Ausgabe, der solche Aufgaben an das Nachwort im Schlußband verweisen muß, ausfallen. Notwendig war es jedoch, eine Vielzahl verstreuter, sonst nur schwer zugänglicher Informationen über B. und sein Werk jeweils schon im Anhang der einzelnen Bände zusammenzufassen.
Unsere Ausgabe konzentriert sich jedoch auf die Textgeschichte. Den in die Sammlungen aufgenommenen Textfassungen, nach denen B. beurteilt sein wollte, werden gewöhnlich im Anhang die Varianten der übrigen zugeordnet. Um die Entwicklung der einzelnen Texte und die Entfaltung des Gesamtwerkes zuverlässig nachzuzeichnen, löst sich unsere Edition prinzipiell von der Gliederung und den Textfassungen der Ausgabe letzter Hand, die B. seit 1957 besorgt hatte. Vielmehr wurde ein chronologisches Ordnungsprinzip gewählt und die Texte demnach getreu nach den Erstdrucken in Zeitungen und Zeitschriften oder aber nach der Fassung einer
von B. selbst besorgten Sammlung geboten. Gelegentlich wurde dabei entschieden, abweichende Fassungen nicht zu Varianten aufgelöst im Anhang zu einer Leitform des Textes zu präsentieren, sondern sie vielmehr gemäß ihrer Eigenart und ihrer symptomatischen Bedeutung für einen Werkabschnitt im Textteil an ihrem chronologischen Ort einzurücken; die Anmerkungen informieren über solche Paralleldrucke.
Nur behutsam wurde die Orthographie normalisiert; bestehen blieb etwa B.s eigenwillige Kleinschreibung von Farbadjektiven, wie sie in den Bildbeschreibungen immer wieder auftritt, und seine dem Sprachrhythmus angepaßte Zeichensetzung; nicht verändert wurden weiter die Apostrophierungen, ebensowenig die Getrennt- und Zusammenschreibung. Die seltenen Eingriffe der Herausgeber sind im Text durch [] kenntlich gemacht; nur offenkundige Druckfehler wurden stillschweigend korrigiert. Generell wurden bei der Redaktion Qualität und Stellenwert des jeweiligen Textes berücksichtigt, und Arbeiten für die Tagespresse wurden, da ihre Textgestalt oft genug nur passiv autorisiert ist, eher der orthographischen Norm angenähert als Zeitschriften- oder gar Buchdrucke; doch sind erkennbare Eigentümlichkeiten B.s in jedem Fall berücksichtigt und bewahrt. Von den frühen Arbeiten für Regensburger Zeitungen kann der erste Band ohnehin nur eine Auswahl präsentieren, und auch diese Texte mußten gelegentlich noch um Passagen gekürzt werden, die nur der journalistischen Forderung des Tages gehorchten - also etwa die stereotypen Kurzcharakteristiken der Leistung Regensburger Schauspieler um 1920. Auch wurde in diesem ersten Band die strenge chronologische Folge der Drucke gelegentlich nicht beachtet, wenn sich inhaltliche Gruppierungen anboten, die auch auf einen Entstehungszusammenhang schließen ließen.
Freilich wirft die chronologische Ordnung, wie deutlich sie auch die Werkphasen und das Werden des Autors offenlegen mag, doch beträchtliche editorische Probleme auf. Es zeigte sich bald, daß ein Großteil der Erzählungen und Gedichte B.s schon bis zum Jahr 1930 vorlag, während erst ab diesem Jahr die wichtigen und wohlkomponierten Sammlungen erschienen, die keineswegs zerstört werden durften; denn sie machten ihn dem Publikum bekannt und übertrafen auch für B. etwa die früheren Zeitungsdrucke bei weitem an Wert. So betrachtete B. sein Werk auf jeder Lebensstufe als verfügbar, stellte Altes neben Neues, aktualisierte und veränderte die älteren Texte, arbeitete sie immer wieder um; die zeitliche Folge, die Werkgeschichte ist restlos aufgehoben in der jeweiligen Gegenwart des Ausdruckswillens. »Ich habe oft ein Gedicht aus 1920 z.B. jahrelang, jahrzehntelang in der Mappe liegen gehabt, kramte es hervor, fing neu daran zu arbeiten an, oft auch ein drittes- und viertesmal.« (An Bode, 20.6.1958)
Weil unsere Ausgabe die Sammlungen respektiert, muß in ihren früheren Bänden auf die folgenden, in denen eben jene später komponierten Sammlungen enthalten sind, nachdrücklich verwiesen werden; erst damit ist für jede Werkphase der Bestand sowohl an eben geschriebenen als auch an wiederum überarbeiteten und veröffentlichten Texten überschaubar. Allerdings können wegen B.s eigentümlicher Arbeitsweise die verschiedenen Fassungen, die seine Texte durchlaufen, nicht detailliert vorgestellt werden.
Zwar liegen, da ihn seine Kriegsverletzung beim Schreiben behinderte, kaum Entwurfshandschriften vor. Die erhaltenen Autographen entstanden meist nachträglich, eigens für Verehrer und Sammler. Doch auch Typoskripte fehlen fast völlig.
»Eine erste Niederschrift«, so erläutert ein Brief B.s an Georg Jung vom 2.April 1948,
sieht bei mir, meistens, so aus: Ich schreibe z.B. die erste Strophe eines Gedichts mit der Maschine, setze die zweite handschriftlich dazu, korrigiere bleistiftlich in die erste Maschinenstrophe hinein, schreibe die dritte wieder maschinlich, korrigiere an den drei Strophen herum, mal mehr, mal weniger, und wenn das Dreistrophengedicht nun recht wie ein Rübenacker aussieht, nehm ich ein neues Blatt, schreib die drei Strophen wieder neu mit der Maschine, und das erste Blatt fliegt in den Papierkorb. Nun, je nachdem mein Genius blitzt, wird auch die zweite Maschinenabschrift wieder in einen Rübenacker verwandelt. Und der Rübenacker fliegt, nachdem säuberlich eine neue Maschinenabschrift hergestellt ist, wieder in den Papierkorb. Manchmal gehts auch einfacher, wenn etwas schnell richtig sitzt. So besitz ich eigentlich keine erste Niederschrift.
Dennoch war ihm »das Fassungen-Elend«, das den Philologen erwarte, wohl vertraut (an Bode, 1959) Was B. nämlich von einer seiner Erzählungen-Der Gang durch das Gewitter/Sarganekdote (Bd.III,2)-Sagt, gilt für fast alle seine Werke, ob Prosa oder Gedicht: Sie sei »schon oft gedruckt gewesen, in leise wechselnden Fassungen, ich muß sie einmal ganz festigen« (an Jung, 6.6.1952). Der Druck bedeutet für ihn keine entschiedene Fixierung - vielmehr setzt sich jener geschilderte Oberarbeitungsvorgang fast unverändert fort; der Zeitungsdruck ist gleichsam für B. nur ein Ersatz für das Typoskript. Wenn Ernst Wiechert in seiner Rede auf B. 1933 behauptete, dieser sei »auf das sorgfältigste bedacht [...], in die Ewigkeit des Druckes nur hinausgehen zu lassen, was vor seinem eigenen Gewissen sich auf eine wenn auch noch so bescheidene Art mit diesem Begriff der Ewigkeit zusammenstellen läßt« (Sämtliche Werke, München: Desch 1957, Bd. 1o, S.864) - so profilierte er zwar deutlich das Bild des ›Dichters‹ B., verfehlte aber den Alltag und die Praxis des ›Schriftstellers‹, der nur
von seinen Honoraren leben wollte und mußte. Denn zu lukrativen Auftragsarbeiten, Essays, Rundfunkfeuilletons u.ä. mochte sich B. seit Ende der zwanziger Jahre trotz der geringen Einkünfte aus seinem dichterischen Schaffen kaum noch verstehen (vgl. Armin Mohler, in: Almanach, S.18). Daher wuchs die Zahl vor allem der Zeitungsdrucke seiner Werke - ganz der Absicht B.s gemäß - ins Unüberschaubare:
Inzwischen bombardier ich alle mir erreichbaren Zeitschriften mit Poemen und die sind z.T. dumm genug, darauf herein zu fallen. [...] Anders kann mans nicht machen. Ich rate Ihnen es nach zu machen,
- schrieb er, versiert genug, am 12.Dezember 1917 an den literarischen Debütanten Hermann Sendelbach. Vermutlich am 1.Oktober 1926 legte B. für diese Angebote ein Nachweisbuch an (vgl. Kat., S.22), das in seinem Nachlaß erhalten blieb: Unter den - grob alphabetisch geordneten - Zeitungs- und Zeitschriftentiteln wurden jeweils mit einem Stichwort die angebotenen Texte notiert; sofern der Text erschien, melden dies die Siglen »A« (angenommen), »E« (erschienen), »H« (honoriert); andernfalls wird das Stichwort gestrichen. Datierungen fehlen in diesem ›Rechnungsbuch‹ völlig; auch sind die Drucke nicht ganz vollzählig nachgewiesen.
Dennoch lassen sich Anhaltspunkte für die Datierung aus der Druckgeschichte gewinnen: B. ließ gewöhnlich nicht viel Zeit zwischen dem Abschluß einer Arbeit und dem ersten Angebot für die Veröffentlichung verstreichen, und oft genug glückte es ihm tatsächlich mehrere, zeitlich eng benachbarte Drucke zu plazieren. Problematisch wird damit der Begriff des ›Erstdrucks<, da jedenfalls das genaue Erscheinungsdatum eines Textes dem Willen des Autors entzogen war. Doch werden in den jeweiligen Anmerkungen möglichst frühe Drucke genannt und gegebenenfalls um Nachweise solcher Veröffentlichungen ergänzt, die-wiewohl etwas später erschienen - doch die Kontinuität einer literarischen Zusammenarbeit, wie sie B. immer wieder mit großen Zeitungen oder auch mit Zeitschriften verband, belegen. Ähnlich mußte bei dem Versuch vorgegangen werden, aus den »leise wechselnden Fassungen« die entscheidenden Stufen hervorzuheben.
Vor allem Texte von geringerem literarischen Anspruch, die in den Sammlungen und in der Ausgabe letzter Hand dann auch nicht auftauchen, wurden durch die Jahre hin immer wieder angeboten und gedruckt, aber nie mehr durchgreifend überarbeitet:
Ja, der alte Geheimrat Zet, vor 25 Jahren schrieb ich ihn, seitdem ist er wohl an die 8o bis hundertmal gedruckt worden, unter den verschiedensten Überschriften, zum erstenmal in der Frankfurter Zeitung. Solcher kleiner »Schlager« hab ich noch mehr, das Bosn.(ische] Mahl gehört dazu, die immer wieder an den Mann zu bringen sind. Sie bringen mir jedes Jahr ein paar tausend Mark ein. Sie gehören zur finanziellen
Grundlage meiner Existenz, und haben mir schon mehr Geld verschafft, als meine sämtlichen Bücher zusammen. Ich sagte Ihnen schon, daß ich mich bemühe, diese kleinen Betrachtungen und Anekdoten auf einem Niveau zu halten, dessen ich mich nicht zu schämen brauche. Mehr Bedeutung haben sie nicht.
(An Jung, 13.11.1950)
Wie aber prinzipiell Mehrfachdrucke bei derselben Zeitung zu erreichen seien, vertraute B. noch 1953 (am Aschermittwoch) Hermann Seyboth an: »ein neuer Titel, ein bißchen verändert, und es ist so gut wie ein Original«. So ergänzen sich B.s dichterische Veränderungssucht und die ökonomischen Bedingungen des Schriftstellerdaseins, und es kommt zu einer Fülle von Änderungen im Detail in fast allen seiner Texte. Davon sind jedoch die grundlegenden Neufassungen zu unterscheiden, die meist in einer der Sammlungen oder doch in einer renommierten literarischen Zeitschrift veröffentlicht wurden. Diese werden in unserer Ausgabe sämtlich dokumentiert, jene aber nur in exemplarischer Auswahl, so wenn ein später populärer Titel nicht schon im Erstdruck auftaucht, wenn geographische Konkretisierungen vorgenommen oder gar ausgetauscht werden u.ä.m. Dabei mußte überdies beachtet werden, daß auch die Redakteure, wie B. in dem zitierten Brief an Jung fortfährt, »es nicht lassen« konnten und bei jedem Abdruck »ein bißchen drin herumkorrigiert« hatten. Da auch deshalb eine detaillierte Darbietung von Varianten weit über den gesteckten Rahmen hinausgegangen wäre, begnügt sich unser Kommentar oft mit dem pauschalen Hinweis, daß eine Überarbeitung stattgefunden hat.
Alle Unterlagen für unsere Ausgabe - Handschriften, Drucke, Briefe und Materialien - sind jedoch in dem »Georg Britting-Archiv« einzusehen, das nach Abschluß der Edition in der Bayerischen Staatsbibliothek verwahrt wird.