Anhang, Band 2 S.253 bis 277



3. Zur Publikations- und Wirkungsgeschichte von Brittings Werk

Der Zwangsmitgliedschaft in der Reichsschrifttumskammer hatte sich B., für den weder das Exil noch das Verstummen in >innerer Emigration< in Frage kamen, nicht entzogen (vgl. Schriftsteller-Verzeichnis, 0.0. 1942); seine Akte ist heute verschollen. In Kürschners deutschem Literaturkalender auf das Jahr 1934 wird er als Mitglied im »Reichsverband deutscher Schriftsteller« geführt. Gelegentlich tauchte B.s Name freilich auch auf halbamtlichen Listen unerwünschter Autoren auf (vgl. Strothmann, Tabelle Nr. 7a), deren Wirkkraft jedoch im Instanzengewirr der Literaturpolitik des Dritten Reiches nicht überbewertet werden darf und wahrscheinlich auf den Raum parteiamtlicher Empfehlungen etwa für Bibliotheken begrenzt blieb (vgl. auch Bd. 111,2, S. 443 die Kritik der Nationalsozialistischen Monatshefte an Die kleine Welt am Strom).
Für B. s Leben und Schaffen bleibt auch unter den geänderten Bedingungen die paradoxe Doppelrolle des >Dichters<, der den Literaturbetrieb verachtet, und des freien Schriftstellers, der vom Literaturmarkt lebt, wie bisher bestimmend (vgl. dazu Schmitz, Brittings Modernität). Rar macht er sich weiterhin; als Karl Rauch, der »neue Herausgeber« der Literarischen Welt, B. im Mai 1933 um eine »Selbstdarstellung« bat, lehnte dieser ab -mit dem koketten Hinweis, er sei »zu dumm, um [sich] selbst darstellen zu können« (an Knöller, vor dem 27. 5. 1933); und als ihn am 9. 5. 1935 die Aufforderung zur Mitarbeit an der von Hermann Rinn »im Auftrage der Deutschen Akademie« herausgegebenen, von Karl Rauch redigierten Zeitschrift Das deutsche Wort erreichte, gibt er sie dem treuen Knöller weiter. Obgleich dies nicht im einzelnen nachzuprüfen ist, bemißt sich seine Bereitschaft zur Mitwirkung im Literaturbetrieb vor, während und nach dem Dritten Reich lediglich an dem, was ihm zur materiellen Existenzsicherung eben nötig erscheint. Seine Einkünfte verharren dabei auf einem bescheidenen Niveau, wie eine eigenhändige, im Nachlaß (Privatbesitz) erhaltene Übersicht belegt (vgl. Abb. unten).

Handschrift: Einkünfte- Übersicht
»Solch kleines Zeug«, so bemerkt er einmal in einem Brief an Georg
Jung entschuldigend über Der Grasgarten, »schreib ich zwischenhin, des lieben Mammons wegen. Man müßte es so gut schreiben, daß man sich seiner nicht zu schämen braucht. So wie Kleist seine Anekdoten für seine Zeitung« (vgl. Bd. 1, S. 564 f.). Curt Hohoff soll er seine Marktstrategie einmal geschildert haben:

Ebenso wichtig, wie das Schreibenkönnen sei das Gedrucktwerden. Ich habe Gedichte, sagte er, die schon hundertmal gedruckt sind. Jedes Jahr schicke ich sechs Wochen vor Ostern meinen Marsch der österlichen
Wälder an zehn oder zwanzig Zeitungen. Das müssen natürlich Zeitungen sein, in denen das Gedicht noch nie gestanden hat. Halt! sagte er, da fällt mir ein berühmter Kniff ein: Man muß den Anfang, den Titel,
manchmal auch den Schluß ändern, und dann werden das Gedicht oder die Geschichte als Erstdruck bezahlt. Manchmal kann man die gleiche Geschichte oder das gleiche Gedicht nach einigen Jahren an die gleichen
Zeitungen schicken: Man kann sich auf die Vergeßlichkeit der Redaktion verlassen.
(Hohoff, S. i56f. Vgl. Bd. III, 2, S. 501-503)
Dank der ständigen Mitarbeit an der Zeitschrift Das Innere Reich gelang es B., während der dreißiger Jahre eine in der Lebensführung bescheidene Unabhängigkeit aufzubauen und zu behaupten (vl , Holbeinstraße). Eine Vorstellung von der Höhe seiner Honorare gibt sein Brief an Paul Alverdes vom 17. August 1944; B. monierte bei Alverdes, dem Herausgeber des Inneren Reich, eine Nachzahlung, denn er habe »im vorigen Heft für fünf Sonette 150 rm [bekommen], diesmal für sechs Sonette Zoo rm«.
In den dreißiger Jahren stabilisiert sich B.s literarisches Ansehen. Sein wachsender literarischer Freundeskreis erweist sich dabei als hilfreich; die meisten ihm und seinem Schaffen gewidmeten literarischen Porträts (vgl. unten S. 267-274) stammen von Bekannten oder gar Freunden B. s. Neben dem inzwischen in München tätigen Hermann Seyboth (vgl. Bd. I, S. 593, 61of.) tritt zunächst Dr. Fritz Knöller (1898-1969) als Stammtischfreund und rühriger Rezensent von B.s Werk. Außer Buchbesprechungen veröffentlichte er in den dreißiger Jahren dazu zwei große rezeptionslenkende Aufsätze (vgl. unten S. 267) sowie etliche kleinere Hinweise und Besprechungen. An Knöllers Wirken war B. im übrigen keineswegs desinteressiert. So findet sich in einem Brief B.s an Knöller vom 15. 1. 1935 ein »Passus«, den B. zur weiteren Verwendung in einem Artikel Knöllers vorschlägt:
Die Gedichte von Georg Britting, unverwechselbar in Klang und Maß
und Beschwingtheit, sind seit Jahren immer wieder anzutreffen in
Zeitungen und Monatsschriften und Anthologien, aber vereinigt worden zu einem starken Band, der den Blick frei gäbe über die Fülle dieser lyrischen Schöpfung, sind sie bisher nicht, sei's aus Lässigkeit des Autors, sei's aus anderen Gründen. Denn das schmale Heft mit Versen, das bei Jess in Dresden erschien, konnte nicht viel mehr sein als eine Kostprobe, die einen starken und nachhaltigen Geschmack auf der Zunge gibt. Erstaunlich genug, oder auch nicht erstaunlich, daß sie trotzdem schon so etwas wie Schule gemacht haben, und man da und dort Verse lesen kann, die ohne das Vorbild Brittings nicht zu denken sind.
Andererseits teilte er Knöller Anfang Februar 1934 einen für das Börsenblatt des deutschen Buchhandels bestimmten routinierten Text (vgl. ebd., Nr. 58, 9. 3. 1934, S• 1063) über dessen Roman Männle (Berlin: Holle & Co.; gedruckte Widmung an B.) mit, den der Verlag auch auf dem Schutzumschlag wiedergab:
Dieses schöne Buch von dem jungen Fritz Knöller ist eine echte Dichtung. Uralt vertrauter Märchenton klingt auf, und doch, und dies ist sein besonderer und seltner Reiz, der Gang der Sprache, der Blick zu sehen ist von heute und nur von heute. Kinder werden Augen und Ohren aufreißen vor dem tollen Spaß der drollig bewegten Handlung, und der Erwachsene wird erschreckend und tröstlich die Macht fühlen, die von dem geheimnisvollen Kern dieses tiefsinnigen Märchens heraufglüht.
Der engere Stammtischkreis, in dem seit 193 5 vor allem Curt Hohoff (vgl. unten S. 270 u. 307) und eben Knöller für B. die Literaturkritik repräsentierten, erweiterte sich in den dreißiger Jahren, wenngleich B. s literarische Freundschaften und Kontakte sich auf München, Köln und Berlin zentrierten. In diesen Jahren festigte sich das sorgfältig von diesen Stützpunkten her ausgebaute Netz von Publikationsmöglichkeiten, die B.s Lebensunterhalt sicherten; das in seinem Nachlaß verwahrte umfängliche Verzeichnis der Zeitschriften, die ihm offenstanden, setzt um die Wende des Jahrzehnts ein.
Zur Grundlage von Schriftstellerfreundschaften, die seine Publikationschancen steigerten, wurde die Bewunderung für B.s Schaffen etwa in der Beziehung zu Friedrich Bischoff (1896-1976), der gelegentlich gestand, er sei von der Lyrik B.s »nicht unbeeinflußt« (so B.s Mitteilung an Jung, 15. 4. 1944). Bischofs war als Intendant des schlesischen Rundfunks 1933 entlassen worden, dann bis 1942 beim Berliner Propyläen Verlag als Lektor tätig. Die Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums hatte -
wie aus einem Brief Pezolds an die Reichsschrifttumskammer vom 8. 1937 hervorgeht - nahegelegt, »Herrn Bischofs im Inneren Reich nicht
mehr zu Wort kommen zu lassen wegen seines politischen Vorlebens, mehrmaligen Gesinnungswandels und seiner im allergrößten Maß zu beanstandenden Haltung als Soldat im Weltkrieg« (zit. n. Mallmann
S. 79). Bischoff war jedoch ab Juni 1939 wieder mit Beiträgen vertreten, veröffentlichte auch im Inneren Reich ein B. gewidmetes Gedicht:
 
Für Georg Britting Zum 17. Februar 1941

Aus dem Gras gezupft,
Leise Ton um Ton.
In den Wind getupft,
Horch, nun klingt es schon!
Selig singt darin,
Was der Welt verliehn.
Lächelnd hörst du hin:
Sankt Georg Merlin.

Ja, ich weiß und sag,
Bist vom Rosenhag
Der verzaubert lag
Tausend Jahr und Tag.
Brummst Dir was dazu:
Sing auch ohne ihn!
Sing, wir hören zu:
Sankt Georg Merlin.

Sing! Und was ich weiß,
Sag ich heut nur uns,
Sags zu Leb und Preis
Deines Liedermunds:
Wenn so Lust und Leid
Ward wie Dir verliehn,
Bleibt für alle Zeit
Sankt Georg Merlin.

(Das Innere Reich, 7, 1940/41, S. 624 [Februar])

Seit 1946 amtiert Bischoff als Intendant des von ihm aufgebauten Südwestfunks in Baden-Baden; in der Festschrift Linien eines Lebens. Friedrich Bischof (Tübingen: Verlag Franz Schlichtenmayer 1956) wird B. das Gedicht Die bayerische Stadt Landshut beisteuern (vgl. Bd. IV)
Breiter dokumentiert ist B.s Bekanntschaft mit Bemt von Heiseler (1907-1969), mit ersten Briefen anfangs der dreißiger Jahre, die freilich an Intensität mit dem seit 1931 überlieferten Briefwechsel Mechows mit Heiseler (DLA) nicht zu vergleichen sind. B.s und Heiselers Briefwechsel bezieht sich zumeist auf Begegnungen in München oder in Heiselers Heimat, dem Haus Vorderleiten, nahe Neubeuern. B. wird gelegentlich an den von dem jüngeren redigierten Zeitschriften mitarbeiten, zunächst an der renommierten, bislang von dem emigrierten Herbert Steiner in der Schweiz redigierten Kulturzeitschrift Corona, deren »Neue Folge« Heiseler mitverantwortete. Am 13. November 1942 trug ihm der Verleger die Schriftleitung des literarischen Teils der Zeitschrift an, der bisher vor allem das geistige Erbe Hofmannsthals und Rilkes bewußt gehalten hatte. Während Steiner nun fürchtete, sein Werk sei an den Nationalsozialismus verraten, hatte von Heiseler seine frühere Überzeugung, »daß es ein geistiges Deutschland unter Hitlers Führung gibt« (zit. n. Rall, S. 181), revidiert. Er verstand sich - in einer rückblickenden Einschätzung - als »konservativ« [...], aber nicht ›deutsch-national‹ (zit. n. ebd., S. 187), zürnte der »Partei und ihre[m] Führer« wegen der »schäbige[n], teilweise schon damals als niederträchtig erkennbare[n] Verfälschung gerechter und des höchsten Einsatzes würdiger Ideale; im Gedenkbuch Das war Binding (hg. v. Ludwig Friedrich Barthel, Wien u. a.: Paul Neff 1955, S. 191) erinnert er rückblickend daran, wie ihn Rudolf G. Bindings (vgl. unten S. 295 ff.) ähnlich motivierte scharfe Ablehnung des Nationalsozialismus beeindruckt habe. So war er entschlossen, in der Corona zumindest auch den offiziell >unerwünschten< Autoren ein Forum zu bieten. Dennoch gelang es ihm nicht, Beiträge von Gertrud von le Fort oder Reinhold Schneider zu veröffentlichen. B. hatte von Heiseler am 23. 11. 1942 seine Mitarbeit zugesagt:
Lieber Herr von Heiseler,
das ist eine gute Nachricht, daß Sie die »Corona«, von deren Eingestelltwerdensollen ich hörte, nun übernehmen sollen. Eine schönere, aber schwerere Aufgabe, als den »Bücherwurm« zu leiten! Die »Corona« war ja in Deutschland ersten Ranges - ich hoffe, Sie brauchen nicht herunter zu steigen, und vertraue, Sie werden es nicht tun! Erstdruck-Gedichte hoffe ich Ihnen geben zu können, wenn es erst so weit sein wird. Gerne und mit Stolz, dabei zu sein, werd ichs tun. Natürlich schweige ich vorläufig. Guten Start wünscht Ihr Georg Britting
Als der erste Band im Jahr 1943/44 vorlag, waren alte Corona-Mitarbeiter wie Hans Carossa und Friedrich Georg jünger vertreten, dazu, wie von Heiseler brieflich kommentierte (zit. n. Rall, S. 185), auch »einige der Corona neue Namen wie Paul Appel, Georg Britting«, dem das >dichterische< Gelingen des Bandes mit zu verdanken war (vgl. Volke, Beil., Vitrine 9).
Hanns Braun (1893-1966), damals bereits Feuilletonredakteur der Münchner Zeitung (mit der Beilage Die Propyläen), verschaffte B. wohl dieses publizistische Forum; er hatte ihn, wie er in seinem Nachruf berichtet (Georg Britting, in: Jahresring 1964/65, S.f 287ff.; eine weitere Würdigung B.s in Brauns Artikel zum 50. Geburtstag 1941, vgl. Bd. IV), bereits Ende der zwanziger Jahre kennengelernt:
Die Tage unsrer ersten Begegnung liegen weit zurück. Aber ich sehe ihn
noch vor mir, so wie er uns 1928 erschien: den großgewachsenen Mann,
der mit Brille und kurzgeschorenem Haar eher wie ein Mönch aussah
und also nicht so, wie er nach der Klischeevorstellung vom Dichter
hätte aussehen müssen. Nicht ganz von dieser unsrer Welt war auch
seine bescheidene Zurückhaltung, ja Wortkargheit, die er erst brach,
wenn er Vertrauen gefaßt hatte. Dann allerdings war er der Wechselre
den froh und ein ergiebiger, zuhöchst beteiligter Unterhalter. Doch
auch wenn er schwieg, war er immer lebendig da [...].
Braun vermittelte wohl auch die Bekanntschaft zu Friedrich Märker, der in seinem Buch Sinn und Gesetze des Lebens (Berlin: Buchholz & Weißwange 1938, S. 60) B. als <organisch-intuitiven< Typus einreihte (vgl. unten S. 269) und seit 1938 mit ihm Briefe wechselte. In den dreißiger Jahren gehört jedoch vor allem Brauns Essay Das Haus im Engadin, der von einer gemeinsamen Fahrt mit dem »leidenschaftliche[n] Reisende[n]« B. (an jung, 12. B. 1947) ausgeht, zu den wichtigeren Arbeiten über B. (vgl. unten S. 268); am 17. März [1947] berichtete B. Georg jung über diesen Text:
›Wanderung‹ hat die Redaktion drüber gesetzt, das klingt so eichendorffisch, sie, die Wanderung, geschah aber mit dem Auto von Hanns Braun.
Von Bewunderung zeugt der Reisebericht wie noch der bereits zitierte
Nachruf:
Liest man Brittings Gedichte [...], entzückt einen wie eh und je ihr Dichtertum: die unverkennbare Gabe also, Worte, die an sich jedem zur Verfügung stehen, in einen Zusammenhang einzubringen, der das Unsagbare in allem, das so ergriffen wurde, hervorscheinen läßt. [...] So wenig wir es seinem Regensburger Landsmann, dem Maler der berühmten Alexanderschlacht, Altdorfer, aufrechnen, daß er immer wieder auf jedem Bild seinen Lieblingsbaum, die Lärche, abkonterfeite, so wird uns der Dichter Britting mit Rabe, Roß und Hahn, mit dem alten Mond oder was ihm sonst in der dringlichen Welt zum Zeichen geworden war, je kaltlassen oder langweilen.
Für B. s Rezeption im Rheinland (vgl. Heinz Küpper: G. B. [=] Die junge Generation, Nr. 9. In: Kölnische Zeitung, Nr. 27, 5. 7. 1936) war der Kontakt mit Otto Brües (1897-1967) von Bedeutung (vgl. Bd. 1, S. 609;
Bd. III, 2, S. 511f.), obgleich zu ihm keine engere persönlichen Beziehung entstand. Brües, seit 1937 NSDAP-Mitglied, kam aus der Jugend- und Heimatbewegung und wußte sich vom ›Fronterlebnis‹ geprägt; das Feuilleton der Kölnischen Zeitung, dem dank einer presserechtlichen Sonderstellung wie dem der Frankfurter Zeitung gewisse Freiräume offenstanden, leitete er von 1933 bis 1937 und hatte schon seit 1922 diese Sparte im Stadtanzeiger für Köln und Umgebung betreut (vgl. Klaus-Dieter Oelze: Das Feuilleton der Kölnischen Zeitung im Dritten Reich, Frankfurt a.M. u.a.: Peter Lang 1990, S. 65-73); es sei ihm - so heißt es in seinen Erinnerungen (Und immer sang die Lerche, Duisburg: Mercator Verlag 1967, S. 103) - eine Freude gewesen, dort nicht nur Rheinländer, sondern auch »Ostpreußen, wie Alfred Brust, oder Bayern, wie Georg Britting«, zu Wort kommen zu lassen; im Jahr 1932 erhält B. den Preis in einem Wettbewerb des Stadtanzeigers für die Erzählung Das Bild (vgl. Bd. V). Auch nach 1945 schrieb Brües gelegentlich über B.
Über ein Preisausschreiben kam B. wohl auch mit der Zeitschrift die neue Linie in Kontakt. Ende 1931 schrieb die von Bruno E. Werner herausgegebene Zeitschrift einen Preis für die »beste deutsche Gegenwartsnovelle« aus. Trotz einer »Fülle interessanter Arbeiten« war sich »das Preisgericht«, zu dem Paul Fechter, Alfons Paquet und Wilhelm von Scholz zählten, »doch darin einig, daß ein dichterisches Werk, aus einer klaren geistigen Haltung, aus einem lebendigen Verhältnis zu Zeit und Volk heraus mit der Kraft naturhafter Anschauung und innerer Spannung zur geschlossenen Form der Novelle gestaltet [sei], unter den eingelaufenen Arbeiten nicht vorhanden war« (die neue linie, 3, H. 8, April 1932, S. 1o). Neben den drei Preisen stiftete der Verlag daher noch »zwei weitere Preise in der Höhe von je RM 300. Mit ihnen wurden angekauft die Novellen Das Waldhorn von Georg Britting, München, und Regina Amstetten von Ernst Wiechert, Berlin« (ebd.). B. publizierte gelegentlich in der Zeitschrift, die seine »romantische Gegenwartsnovelle aus den bayrischen Bergen« (S. 19) im August-Heft-1932 veröffentlichte (vgl. Bd. III, 2, S.467).
An dem jährlichen Lyrikwettbewerb der Illustrierten Die Dame nahm B. seit der ersten Ausschreibung im September 1934 teil. Den ersten Preis »für das schönste Gedicht« erhielt Marie Luise Kaschnitz; von B. wurde das Gedicht Erster Herbstregen zur Veröffentlichung im Lyrik-Almanach der Dame angekauft (vgl. S. 5o). Im Jahr 1935 erschien das später Mondnacht auf dem Turm (S. 182) betitelte Gedicht im Almanach der Dame; als die sechs Preisträger durch die Jury - Rudolf G. Binding, Wolfram Brockmeier, Ricarda Huch, der Berliner Ordinarius der Germanistik Julius Petersen und Ludwig Emanuel Reindl - bestimmt wurden, »stand in engster Wahl eine große Zahl weiterer Gedichte, von denen 5o der besten, einschließlich der preisgekrönten und einige außerhalb des Wettbewerbs eingesandter, in diesem Almanach« veröffentlicht wurden:
Sie treten, so gesammelt, nicht mit dem Anspruch auf, ein erschöpfen des Bild vom gegenwärtigen Stand der deutschen Lyrik zu vermitteln. Aber sie können doch als bedeutungsvoller Teil in diesem Bild mit dazu
beitragen, den nie verlierbaren Reichtum tiefen Gefühls, seelischer Erlebnisbereitschaft und Hingabefähigkeit, der gerade in der lyrischen Dichtung unserer Zeit und unseres Volkes sich offenbart, so sichtbar zu machen, daß auch durch ihre Veröffentlichung der Sinn des künftig regelmäßig wiederkehrenden Lyrikpreisausschreibens der Zeitschrift Die Dame erfüllt wird: nämlich ›jenen erlesenen Kräften des Geistes und
der Seele zu dienen, die innerhalb der Erlebnisgemeinschaft des Volkes sich in das unmittelbarste Bekenntnis tiefen Erlebens: in das Gedicht und Lied umsetzen‹.
(Aus dem »Geleitwort«).
Im Jahr 1936 wurde bei der Ausschreibung nochmals auf die im vorigen Jahr zuerst formulierten »Leit-Ideen« verwiesen, jene »unsere Zeit bewegenden Lebensideale«:
Verbundenheit mit Landschaft und Heimat, Erlebnis der Gemeinschaft in der schöpferischen Arbeit, im Glauben an die Zukunft oder in der Feier, im Wunder der Liebe oder in der Idee der Kameradschaft, vor allem aber im Bekenntnis zu einem Frauentum, dessen Krönung in der Mutterschaft liegt.
(Die Dame 1936, H. 23, S. 6)
Unter den sechs Preisträgern waren Hans Leifhelm und Georg von der Vring; B.s Gedicht Wenn in Italien der Kuckuck schreit wurde zur Veröffentlichung erworben (vgl. S. 161). - Seit 1938 zählte B. neben Marie Luise Kaschnitz, Julius Petersen, Friedrich Schnack und Reindl zu den Preisrichtern; ausgezeichnet wurde 1938 ein Gedicht von Gotthard de Beauclair, weitere Preise gingen u. a. an Hermann Kasack und Hermann Sendelbach. 1939 ging der Preis an Friedrich Bischoff, 1940 an Josef Leitgeb für das Gedicht Deutsches Heer 1940, 1941 an Bodo Schütt für sein Gedicht Herz unter dem Schicksal. Ausgezeichnet wurden u.a. W. E. Süskind (1939), Georg von der Vring, Wolf von Niebelschütz, Ruth Schaumann (1940), Werner Bergengruen, Rudolf Hagelstange, Eckart Peterich, Eugen Roth (1941).
Die Basis für solche überregionalen Erfolge war stets die Anerkennung B. s im literarischen Leben Süddeutschlands, das freilich keineswegs einen Freiraum vor dem Zugriff des nationalsozialistischen Staates bildete. Nur selten jedoch erschienen Beiträge B.s in der Münchner Ausgabe des Völkischen Beobachters, der sich ohnedies bis Ende der dreißiger Jahre in seinem Kulturteil um ein seriöses Ansehen bemühte, mit einer Pflege traditionell )deutscher< Kultur, stets aber begleitet von antisemitischen Tönen. - Die Zeitschrift Münchner Mosaik hatte sich eine weitgehend von politischer Agitation freie, jedoch staats- und parteikonforme Aufgabe gestellt, »im Namen der Hauptstadt der Bewegung Herold zu sein auch für die Stadt der Deutschen Kunst« (Münchener Mosaik 1, 1938, S. i). Bei der Gründung dieser vom Kulturamt der Stadt subventionierten Zeitschrift ging es, wie in den Akten (Stadtarchiv München, Kulturamt 25) festgehalten ist, »in erster Linie darum, für München zu werben«: »Durch das Herausstellen des lebendigen Schaffens der Münchner Künstlerschaft, durch Vertiefung des Interesses am Münchner Kulturleben in der Gegenwart und Vergangenheit und durch Pflege der landschaftlichen Eigenart«, so erläutert ein Brief des Kulturamtes an den Reichsleiter Amann vom 29. 12. 1937 (ebd., Kulturamt 51o), »wird diese Zeitschrift die Anziehungskraft der Hauptstadt der Bewegung als Kulturzentrum stärken und den Zustrom der Fremden weiterhin steigern. « Amann schließlich erklärte dann in einem Gespräch am 5. 1. 1938 (ebd.) zur Gesamtlinie des neuen Blattes: »Wir wollen die Zeit vergessen, wo verschiedene fähige Leute politisch anderer Meinung waren. Wenn sie sich heute zu uns bekennen, dann wollen wir auch mit ihnen arbeiten zu unser aller Bestem. « Wenngleich B. nur gelegentlich und erst nach 1940 teilnimmt, so wird er doch selbstverständlich - in Josef Magnus Wehners launiger Übersicht Vom Münchner Schrifttum (Münchner Mosaik 1, 1938, S. 438f) - als wichtiger Vertreter süddeutscher Literatur genannt.
Ausdrücklich anerkannt wird er 1936 in diesem Rang durch die (nachträgliche) Verleihung des Münchner Dichterpreises 1936 für das Jahr 1935 (vgl. den in B.s Nachlaß verwahrten Bericht: MNN, Nr. 99, B. 4. 1936). Die Begründung wurde in der Presse veröffentlicht und von B.s Verlag Langen-Müller in einem eigens gedruckten Prospekt verbreitet (Beilage zu Das Innere Reich, Mai 1936):
Der Literaturpreis für 1935 wurde dem Dichter Georg Britting vor allem in Anerkennung seines lyrischen Schaffens verliehen. Sein Werk, geboren aus tiefer Naturverbundenheit und geformt durch das erschütternde Erlebnis des Krieges, bringe nicht nur ein glanzvolles dichterisches Wiederaufleben bayerischen Barocks, sondern wachse darüber hinaus zu einer Schicksalsdichtung von harmonischer Prägung, die von dem Wissen um Leben und Tod getragen und von einem echt deutschen Humor durchleuchtet sei.
(Völkischer Beobachter, 99. Ausgabe vom B. 4. 1938, Beiblatt)
Nur selten wird B. bei Umfragen herangezogen (vgl. S. 278ff.); so nennt er lapidar den MNN (Münchner Dichter im neuen Jahr, MNN, Nr. i, i. 1. 1937) seine Pläne: »Ich arbeite an einem Roman. Ein Band Erzählungen wird voraussichtlich im Jahr 1937 erscheinen. « Neben einer Lesung B.s im
Februar 1938 am siebten Abend der »Literarischen Gesellschaft« in Köln (vgl. Kölniche Volkszeitung, 15. 2. 1938), »gut dotierte[n] Lesereisen«, die nach Rom (ab 1935) und ins Frankfurter Goethehaus führten (Haefs, S. 51), einer Rundfunklesung im Berliner Rundfunk innerhalb der Reihe Der Dichter hat das Wort. Kurzgeschichten und Gedichte im Rundfunk (vgl. Vossische Zeitung, Unterhaltungsblatt Nr. 54, 23. 2. 1933) sind wiederum vor allem Münchner Veranstaltungen belegt. In einem Artikel Hier Reichssender München (Münchner Mosaik, 4, 1941, S. 88-90) nennt der Intendant des Senders Hellmuth Habersbrunner neben Hans Carossa, J. G. Oberkofler, Lena Christ auch B. unter den Repräsentanten jenes »neuen deutschen Schöpferwillens«, dem der Sender »großzügigster Mäzen« sein wolle. - Zweimal las B. vor der Studentenschaft der Münchner Universität, im Februar 1934 mit Peter Dörfler und Ina Seidel in einer Reihe »Der Dichter und sein Volk« (vgl. Münchener Zeitung, 28. 2. 1934) sowie im Mai 1937. Am 7. 5. 1937 bringen die Münchner Neuesten Nachrichten eine Notiz über diese Lesung des Münchner Dichterpreisträgers B. bei einer »Feierstunde, die die Gaustudentenführung München-Oberbayern der NSDAP in der großen Aula der Universität veranstaltet hat« - ein »schönes Zeichen dafür, daß die akademische Jugend nicht über der politischen und wissenschaftlichen Schulung das Wort des Dichters vergißt«. Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe für die Sommerkurse der ausländischen Deutschlehrer engagierte die Deutsche Akademie 1938 B. für einen Dichterabend im Münchner Preysing-Palais (vgl. Völkischer Beobachter, Nr. 225, 13. B. 1938). Schließlich berichtet Karl Ude von einer »Dichterstunde« mit B. im Herkulessaal der Münchner Residenz (Münchner Dichter lesen, in: MNN, Nr. 81, 22.3.1941; vgl. das Zitat zur Erzählung Der Schneckenweg, Bd. V Außerdem unten S. 278ff.). Zusammengehalten aber werden solche vereinzelte Aktivitäten B.s erst dadurch, daß sein Werk von dem in den mächtigen Buchkonzern der Hanseatischen Verlagsanstalt (HAVA) eingebundenen Langen-Müller Verlag betreut wird, der sich »ab Anfang der dreißiger Jahre« als Anziehungspunkt »für konservative und völkisch-nationale Autoren« in München etablierte (Meyer, S. 145). Geschickt wußte Langen-Müller das >Dichter,-Bild B.s in eine - materiell anfangs wenig ertragreiche, aber reputationsträchtige - Marktstrategie umzusetzen. War doch sogar »Bermann-Fischer, der Verleger«, - laut einer Mitteilung in Eugen Roths Tagebüchern - »1933 bei Br., um ihn für seinen Verlag zu gewinnen. Er hoffte, durch nat[ionale] Dichter den Verlag zu retten, bedauerte sehr, daß er Strauß voreilig abgegeben hatte«. Für die Chancen der nationalen Wende seit 1930 eher prädestiniert, plante Langen-Müller, sich - wie es in der Ankündigung des ersten Verlagsalmanachs heißt - den »aufbauende[n] Kräfte[n]« im deutschen »Schrifttum« zu widmen (zit. n. Meyer,
S. 86); seit 1931 verfolgte der dank Erwin Guido Kolbenheyers Einfluß zum Verlagsleiter ernannte Gustav Pezold zielbewußt die Strategie, sich als der völkisch-nationale Dichterverlag zu präsentieren, die noch unter dem Signum des Georg Müller Verlages im März 1931 mit jenem ersten Almanach Ausritt (mit Umschlag- und Titelillustration von Emil Preetorius) publik gemacht wird. Von B. bringt dieser Almanach die Erzählung Die Frankreichfahrt (S. 58-64); im Anhang wird dann bereits ein neuer Prosaband »Josef am See. Novellen« für 1932 angekündigt (vgl. Bd. III, 2, S. 434f. zu dem Band Das treue Eheweib). Es scheint, daß Paul Alverdes, der sich im Jahr 1931 (mit dem Band Reinhold oder die Verwandelten) fest an den Verlag bindet und dessen Einfluß auf die Verlagsplanung vielfach bezeugt ist, B. diese Möglichkeit einer »kontinuierlichen Publikationspolitik« (Haefs, S. 44) vermittelt hat. Die Veröffentlichung des HamletRomans, präzise eingepaßt in eine Werbestrategie, die dem neuen LangenMüller Verlag auch eine Pflege gegenwärtiger >Dichtung< jüngerer Autoren zuschreiben wollte (vgl. Bd. III, 1, S. 267), markiert den Stellenwert, gleichsam die >Nische<, die B.s Schaffen auch künftig im Langen-MüllerProgramm gesichert bleibt: Neben der nationalen, völkischen und nationalsozialistischen Literatur soll auch eine zeitlose deutsche >Dichtung< präsentiert werden. Die Werbung des Verlages konvergiert so mit den Absichten von B.s Freundeskreis, und Darstellungen wie die von Kurt Matthies, beim Deutschen Volkstum Mitredakteur des bei der HAVA einflußreichen Wilhelm Stapels, dann auch HAVA-Lektor, oder die »kleine Umrißzeichnung« Georg Britting von Johan Luzian (Exemplar aus der Pfälzischen Rundschau, 1936, in B.s Nachlaß), der bis zu seiner Emigration Mitte der dreißiger Jahre im Langen-Müller Verlag tätig war (vgl. Meyer S. 14zf.), aber auch Beiträge von Alverdes oder Wiechert verweisen auf die verlegerische Strategie. So verkündet noch der Klappentext des Erzählungsbandes Der Schneckenweg im Jahr 1941:
Dies Buch bezeugt es wieder klar, daß Georg Britting, unter den Dichtern unserer Tage einer der berufensten und echtesten, in jedem neuen Werk aus seiner Feder nicht nur die Höhe hält, auf der er unbestritten stand, sondern stets rüstig weiter ansteigt auf dem steilen Weg zur reifen Meisterschaft. [...] [Nunmehr hat er] einen Gipfel der Kunst erreicht, den nur Begnadete betreten dürfen.
Wenngleich »die Atmosphäre im Verlag [...] niemals penetrant nationalsozialistisch gewesen zu sein« scheint (Mallmann, S. 46), so geriet etwa B. s Gedichtsammlung Der irdische Tag doch in eine Konstellation, zu der auch Heinrich Zillichs Komme was will (1935) mit einer pathetischen Feier der Frontgeneration im Gedicht Das Vermächtnis. Dem Jahrgang 1898 gehört - und ebenfalls der gleich ausgestattete, mit dem Nationalen Buchpreis 1935/36 ausgezeichnete Band von Gerhard Schumann, Wir aber sind das Korn, dessen Gliederung von »Landschaft« über »Ruf und Antwort« und »Segen der Liebe« der »Heldische[n] Feier« zustrebt. In der Verlagswerbung changiert demnach das Bild B. s zwischen der - von ihm selbst seit Anfang der dreißiger Jahre betonten - Zugehörigkeit zur ›Frontgeneration‹ einerseits und dem Bild B.s als eines ›Dichters‹ jenseits programmatischer national-völkischer ›Zumutungen‹ andererseits. Eine beachtliche Auflage erzielte B. zunächst nur mit dem Bändchen Die kleine Welt am Strom, das in der Reihe Die kleine Bücherei vorgelegt wurde, die für »Deutsche und nordische Gegenwartsdichtung in Novelle, Gedicht und Spiel« vorgesehen war (vgl. Bd. III, 2, S. 348, sowie zu den Auflagen von B.s Prosawerken ebd. S. 437, 454, 481, 489€). Die Reihe wurde im übrigen als - erfolgreiches - Werbemittel des Verlages eingesetzt, und nicht zuletzt B. profitierte davon. In dieser Reihe erschienen außerdem die weitverbreitete Anthologie Das kleine Gedichtbuch (1934; Copyright von 1933; 1. Aufl. ohne Herausgeberhinweis, aber in der 2. Aufl. 1935: Kurt Matthies; 50. Tsd. 1938), die ausschließlich den ›Hausautoren‹ vorbehalten war, sowie außerhalb der Reihennumerierung eine als Werbeband konzipierte Sammlung Das kleine Buch der Dichterbilder (1937, im gleichen Jahr 21.-30. Tsd.); hier sind in alphabetischer Folge die 58 Autoren der »Kleinen Bücherei« aufgeführt, mit Kurzbiographie, Porträtfoto und faksimilierter Unterschrift. Auch in fast allen Jahrgangsbänden des Almanachs Ausritt war B. vertreten, ohne hier freilich in ähnlicher Weise herausgestellt zu werden, wie zum Beispiel Erwin Guido Kolbenheyer zu
seinem sechzigsten Geburtstag im Ausritt 1938/39. Dennoch klagte Kolbenheyer, wie Pezold zunehmend unter den Einfluß einer »Clique der jüngeren Autoren: Alverdes, Britting, Mechow und Wiechert« gerate (aus einem Brief Pezolds; zit. n. Meyer, S. 146; vgl. Volke S. 12) - dabei B.s Einfluß gewiß überschätzend.
Auch die Anthologien als Indikatoren der literarischen Situation belegen, daß B. erst in den Jahren 1932 bis 1934 in den Kreis der anerkannt repräsentativen Autoren aufrückt. Zuvor ergibt sich ein wenig einheitliches Bild. In der umfassend angelegten Anthologie Junge deutsche Dichtung (hg. v. Kurt Virneburg u. Helmut Hurst, Berlin u. Zürich: Eigenbrödler Verlag 1930) mit 102 Autoren der Jahrgänge 1889 bis 1908, bei einem Spektrum von Konservativnationalen bis zu linksliberalen ›Sachlichen‹ fehlt B.; aufgenommen sind seine Gedichte jedoch in zwei anderen in Berlin vorgelegten Anthologien. In einer Sammlung »neuer Großstadtdichtung«, die Robert Seitz und Heinz Zucker 1931 herausgeben (Um uns die Stadt. Berlin: Sieben-Stäbe-Verlag) steht B.s Name wohl zum einzigen Mal in der Nachbarschaft fast aller bedeutenden republikanischen und auch einiger kommunistischer Autoren, also neben J. R. Becher, Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Max Herrmann-Neisse, Erich Kästner, Her-mann Kesten, Walter Mehring, Erich Mühsam, Kurt Tucholsky und Erich Weinert. Ein Jahr später jedoch erscheint er - gewiß eher seinem Selbstverständnis als >Dichter< einer neuen Naturlyrik entsprechend - mit Erstdrucken (vgl. Anm. zu S. 52) unter den Beiträgen der von Carl Dietrich Carls und Arno Ullmann herausgegebenen Anthologie Mit allen Sinnen. Lyrik unserer Zeit (Berlin: Rembrandt Verlag 1932), einem Forum für die >junge Lyrik< von 45 Autoren, zu denen Wilhelm Lehmann und Oskar Loerke sowie einige aus dem Kolonne-Kreis zählen (Peter Huchel, Theodor Kramer, Eberhard Meckel); sie war der »Naturlyrik und naturnahe[n] Liebesgedichte[n]« vorbehalten (S. 9). Der programmatisch sichtende Befund im »Vorwort« der Herausgeber (vgl. ebd., S. 8f.) ist bis in die Formulierungen - über das >neue Verhältnis zur Natur< und zu den »Zeitfragen«, die »Wandlung der Sehweise«, das »Streben nach greifbarem und bildhaftem Ausdruck« - analog zu den Zielsetzungen der Zeitschrift Die Kolonne (vgl. oben S. 250ff.).
Im Umfeld seines Verlages kam B. auch in Verbindung mit dem völkisch-nationalen »Verein Raabe-Stiftung«, München (im Vorstand u.a. Börries von Münchhausen, im Beirat Hans Friedrich Blunck, Hermann Burte, Gustav Frenssen, Hanns Johst, Erwin Guido Kolbenheyer, Wilhelm Schäfer); laut einem Prospekt für das von dem Verein herausgebrachte Jahrbuch der deutschen Dichtung 1932, das neben Werken der Genannten auch Beiträge von Alverdes, Bergengruen, Billinger, Carossa, Max Halbe, Mechow, Wiechert, von B. die Erzählung Fischfrevel an der Donau enthält, bekennt man sich zum Glauben »an eine Gesundung der deutschen Volksseele durch den Sieg der deutschen Dichtung«, sagt »undeutscher Modeliteratur« und dem »seelenlosen Literaturbetrieb der Zeit« den Kampf an. Indessen ist in späteren Jahren B., verglichen mit erfolgreichen Autoren des Langen-Müller Verlages wie Alverdes, in relativ wenigen entschieden völkisch-nationalen Anthologien vertreten, wie etwa in Kriegsdichter erzählen (hg. v. August Friedrich Velmede, München: Langen-Müller 1937; darin: Der Ledergepanzerte, vgl. Bd. 1, S. 652), Ziesels Sammlung (vgl. unten Anm. zu S. 225) oder in dem von Herbert Böhme kompilierten Band (vgl. unten Anm. zu S. 26, auch S. 1i). In den meisten thematisch vergleichbaren, in völkischen oder gar pointiert nationalsozialistischen Anthologien ist B. nicht vertreten, auch dann nicht, wenn sich Autorennamen aus seinem Umfeld - wie Alverdes, Billinger, Binding, Carossa - dort versammelt finden, wie etwa in der kulturpolitisch wichtigen Sammlung: Das Neue Deutschland im Gedicht. Eine Auswahl (hg. v. Hans Gille, Neuausgabe, Bielefeld u. Leipzig: Velhagen & Klasing 1938); oder in: Die Stimme deutscher Dichter. Weihnachtsgruß 1936. Stuttgart, Stadt der Auslandsdeutschen [1936] (vgl. weiter: Feldgraue Ernte. Der Weltkrieg im Gedicht, hg. v. Karl Rauch, Berlin: Holle 1935; Die Trommel schlug zum Streite. Deutsche Gedichte vom Weltkrieg, hg. v. Wilhelm Westecker, München: Langen-Müller 1938; Das heldische Jahr. Front und Heimat berichten den Krieg. 97 Kriegsfeuilletons, hg. v. Wilfried Bade u. Wilmont Haacke, Berlin: Zeitgeschichte Verlag 1941). Und Rudolf Ramlow, der Pressereferent der Nationalsozialistischen Kulturgemeinde, rechnet ihn zwar unter die repräsentativen Erzähler unserer Zeit, die er in fünf Bänden (Berlin: Paul Franke o.J. [1934/35] vorstellt: »Die Dichter, deren Beiträge [hier] zusammengestellt sind«, erklärt er vorweg, »gehören alle zu denen, deren Werk in dem Deutschland des zweiten Reiches keine Würdigung fand oder wenigstens von dem künstlichen Ruhm längst versunkener Größen überschattet wurde«; sie seien von der »harte[n], männlich[n] Welt des großen Krieges« geformt. Einband und Umschlag zeigen jedoch als werbewirksam die Namen von Alverdes, Billinger, Bloem, Bröger. Zur Panegyrik der Staats- und Parteigrößen hatte B. während des Dritten Reiches lediglich einen Beitrag zu liefern, jenes Gedicht Dem Führer von 1938 (vgl. S. 363f).