ANHANG   Band 4      Seite 313 bis 323
 

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ANHANG Band 4
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ZUR GESAMTAUSGABE

Mit der Herausgabe der kommentierten fünfbändigen Gesamtausgabe der Werke von Georg Britting (in sechs Teilen) wurde Walter Schmitz im Jahre 1984 beauftragt.
Bisher erschienen:
Band 1 und 3/1 Ende 1988
Band 3/2 im Jahr 199o
Band 2 im Jahr 1993
     Nachdem Walter Schmitz im April 1996 als Herausgeber ausschied, übernahm Georg-Britting-Stiftung die Herausgabe der Bände 4 und 5.
Die Ausgabe wurde nach dem ursprünglichen Editionsplan fertiggestellt, so daß als verbindlicher Text die Fassung der noch von Britting selbst herausgegebenen Gesamtausgabe der Nymphenburger Verlagshandlung zugrunde liegt.


S. 314 ANHANG

ZU DIESEM BAND [Band 4]
 

Die Texte des vorliegenden Bandes folgen dem 1957 erschienenen Band 2 Gedichte 1940-1951 (G II) der Gesamtausgabe der Nymphenburger Verlagshandlung.
Damit wurden die in den vierziger und fünfziger Jahren entstandenen Gedichte der Bände Die Begegnung, Lob des Weines und Unter hohen Bäumenin der von Britting autorisierten Fassung letzter Hand übernommen.
Als Teil 4 schließen sich unter dem Titel Der unverstörte Kalender nachgelassene Gedichte an, die von Georg-Britting-Stiftung Britting und Friedrich Podszus im Band 7 der genannten Gesamtausgabe 1965 herausgegeben wurden.
Vom edierten Text abweichende frühere Fassungen werden unter der Rubrik Drucknachweise und Anmerkungen aufgenommen.
Angegeben wird mit der Sigle E der früheste nachweisbare Druck. 
Weitere wichtige Drucke schließen sich jeweils neu gezählt ( D1-D9) in chronologischer Folge an.
Für die Zitatnachweise und Typoskripte wird auf die Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek in München verwiesen, in der sich der Nachlaß von Britting befindet. Briefe Brittings an Paul Alverdes liegen im Deutschen Literaturarchiv in Marbach.


S. 315.....................................................Zum ersten Gedicht

DIE BEGEGNUNG   [siehe auch Rezeptionsgeschichte]

Acht Jahre nach dem Erscheinen des Gedichtbandes Rabe, Roß und Hahn kam in Brittings neuemVerlag die Sammlung seiner Todsonette heraus: 
Die Begegnung. Gedichte. München: Nymphenburger Verlagshandlung, 1947. Einleitungsgedicht und 70 Sonette.
Der Band erschien, zwei Jahre nach Kriegsende, in englischer Broschur. 
Am 15.4. 1944 hatte Britting an Georg Jung (zur Person vgl.
S.32o) nach Helmstedt geschrieben:

[...] Ich bin trotz der apokalyptischen Zeiten lyrisch sehr in Form. Prosa mag ich z.Zt. gar nicht schreiben. Aber in meinen Mappen häufen sich die Gedichte. Seit Erscheinen von Rabe, R. u. H. habe ich mehr Gedichte geschrieben, als in meinen bisherigen zwei Gedichtbüchern zusammen enthalten sind. Ich glaube, in der Spirale ein paar Windungen höher gestiegen zu sein. Ein Zyklus von 6o Sonetten, eine Art von Totentanz, wie zeitgemäß! soll, nach dem Krieg, wenn da noch Bücher erscheinen, als eigener Band erscheinen. Proben standen schon ein paarmal im Inneren Reich, auch im jetzigen Heft: lesen Sie es noch?Im nächsten Heft auch wieder, und ein großer Aufsatz über mich. Ich schreibe Ihnen da so viel von mir. Weiß nicht, wie das kommt, ich bin sonst gar nicht so geschwätzig.
(Bei dem erwähnten Aufsatz handelt es sich um Lily Gädke: »Der bildzeigende Lyriker«, in: Das Innere Reich, Jg. 11, 1944/45, Heft 1, S. 42-50.)
Alle 70 Sonette sind ganz der Totentanz-Thematik gewidmet. Nicht nur formal, auch inhaltlich stellen sie Brittings geschlossenste lyrische Produktion dar. Bode (S. 92-94) sieht in dieser Neigung, sich anstelle der Naturdichtung mit einer im Nachexpressionismus erarbeiteten eigenen Sprache nun über Jahre hin der strengen Form des Sonetts anzunehmen, eine Hinwendung Brittings zum neoklassizistischen Formenstrang der dreißiger Jahre. Weinheber war es, »von dem die Hauptimpulse zu den festeren Formen ausgingen«, durch ihn wurde das Sonett Mode, »in deren Sog fast die gesamte damalige Lyrik geriet«. Bode weist nach, daß es von den meisten namhaften Autoren benutzt wurde, u.a. von Andres, Bergengruen, Edschmid, Hagelstange, Haushofer, Hausmann, Holthusen bis zu Kaschnitz, Reinhold Schneider, Lange, Niebelschütz. Aber er grenzt auch Brittings Sonettenthematik vom »vordergründig Heroischen« bei Weinheber ab.
Die Totentanz-Thematik steht natürlich in einer langen literarischen und künstlerischen Tradition aus dem Mittelalter, die Britting auch aufgreift: 
Da traten dann Kaiser, Bischof, Feldhauptmann, Reicher und Bettler aus der Ständeordnung in denTotentanz, und Gestalttypen wie Mutterjüngling, Mädchen, Braut, Frommer, Gefangener und Kranker wurden aufgenommen. (Bode, S. 93)
S.316
 

 Hofmannsthals Jedermann für die Salzburger Festspiele hatte im 20. Jahrhundert das Thema wieder populär gemacht. Nun empfand man in Krieg und Nachkrieg den Stoff als höchst zeitgemäß:

Marie-Luise Kaschnitz veröffentlichte im gleichen Jahr wie Britting 1947 einen »szenischen Totentanz« auf einem trivialromantischen Schauplatz mit Brunnen und Kreuzweg, in den nur aus dem Hintergrund einige Ruinen der Gegenwart hereinblicken. Kasack schrieb an einem »Totentanz 1945«. Auch Nossack verfaßte ein größeres Gedicht »Ein Mädchen spricht zum Tode« und zeigt sich in einigen Sonetten und kürzeren Gedichten um das Todesthema vielleicht schon von Proben im Inneren Reich angeregt, das in der zweiten Kriegshälfte ja zu den wenigen noch erscheinenden Zeitschriften dieser Art gehörte und so auf Anfänger eine gewisse Wirkung üben konnte. (Bode, S. 92)
Für Brittings Erlebnishaltung [so weiter Bode] ist charakteristisch, daß er während der Arbeit an den Sonetten erwog, um eine Illustrierung an Kubin zu schreiben. Die Kräfte, die er damit heraufrufen wollte, widersprechen jederVerharmlosung. [...] Britting wußte nicht, daß Kubin bereits 1938 einen »Neuen Totentanz« gezeichnet hatte, der ebenfalls erst 1947 in Wien publiziert werden sollte. Blätter daraus wie »Der Tod und der Arme«, »Schmetterling«, »Eislaufplatz«, »Gärtner«, »Am Fischteich«, »Im Böhmerwald« und »Der Tod holt den Zeichner« sind ausgezeichnete Parallelstücke zu Brittings Welt, und trotz der verschiedenen künstlerischen Media ist ein spezifisch süddeutsches Talent zur Veranschaulichung des Unsichtbaren in beiden Werken gleichermaßen lebendig.
[...] Das Memento mori ist von einem maßvollen Epikureismus ausgezeichnet und weist vom Tod her ins Leben zurück, als mit dem Tod, wie es eben bei jenen aufgenommenen mittelalterlichenVorbildern und dem Totentanzmotiv überhaupt der Fall war, ins jenseits voraus. Und so ist auch nicht ein zum Gericht Abgeholter die menschliche Schlüsselfigur dieses Brittingschen Todestanzes, sondern ein Lebender, der sich die Frage »Wozu wir sind« gar nicht stellt und seines Todes doch gewiß ist: ebenjener »unbedachte und weise« Held Achill, der auch an anderer Stelle im Werk noch in entscheidender Position auftaucht. (Bode, S. 94f.)
Über Entstehungsdaten der Gedichte vergleiche umseitige handschriftliche Aufzeichnung von Britting:
S.317

[Text der Grafik setzt sich hier fort.]
S.318
Mesner. Ein Hausaltar steht in der Ecke, Weihwasser am Türstock, es ist eine Klosterzelle sozusagen, aber eine mit Zentralheizung. Der Anderl sitzt, wenn er nichts zu tun hat in der Küche bei den Krankenschwestern, und kommt nur nachts, zum Schlafen. Es ist klösterlich still in der Zelle, ganz herrlich. Hier kann ich auch arbeiten, das ist gerade die rechte Atmosphäre dazu.[...]
Brittings Lebensform hatte sich während der Kriegsjahre wenig geändert. Trotz der schweren Luftangriffe auf München behielt er sein möbliertes Zimmer in Bogenhausen bei, das zeitweise durch Brand- und Splitterbomben beschädigt wurde, aber bis zuletzt bewohnbar blieb. (Dazu: Georg-Britting-Stiftung : »Holbein Straße 5a, BrittingsTreppenzimmer 1935-1951, Privatdruck 1988.)

Seinem Freund Paul Alverdes, der mit seiner Familie nach Strobl am Wolfgangsee geflüchtet war, schildert Britting am 28. April 1944 die Zerstörungen, die der letzte Luftangriff auf München verursachte:
Lieber Alverdes,
ja, die Montagnacht war nicht schön, das heißt, schön war sie auch, auf ihre Weise, so ä la Glocke: >müßig siehst du seine Werke und bewundernd untergehen. Ich war in meinem Ausweichquartier bei Hanser und als es dann losballerte, und Hanser und ich einen Kontrollgang machten, sahn wir, daß es ringsum schon lichterloh brannte, und auf Hansers Speicher lagen zwei brennende Brandbomben, die aber leicht zu löschen waren. Ja, und dann brannte es im Nachbarhaus, bei Endres, aber das war noch zu löschen, aber rundum brannten die großen, schönen Plutokratenvillen, zum Teil schon so kleine Palais, still und feierlich wie Weihnachtskerzen bis auf die Grundmauern nieder, und es löschte niemand, mangels Wasser und Schläuchen und Löschern. Der Himmel weithin blutrot, und dann erhob sich der Feuersturm, von dem die Berliner immer erzählten, eine tolle Sache, wie das rauschte! So rauschte es, aber mehr noch rauchte es, noch am Dienstag Mittag war es des Qualms wegen unmöglich sich des Stadtinnern zu nähern, oder nur mit feuchten Tüchern vor der Nase. Gegen vier Uhr früh ging ich nachhause, um zu sehen, ob ich noch ein solches hätte. Es war ein Gang wie Nero, durch die brennende Mauerkircherstraße, links und rechts brannte es, Funkenregen und Feuerwerk, in der Ismaningerstraße brannte es, aber weniger, und der große Feuerschein über meinem Haus, der mich nicht wenig bange gemacht hatte, kam von einem Großbrand in der Nachbarschaft, mein Haus stand, mein Zimmer auch, nur so voll von Staub und Ruß und Aschenregen wie nach einemVesuvausbruch, und staubig und rußig und mit rauchgebeizten Augen entschlief ich sanft.[ ...]
Alverdes erwiderte im September 1944 aus Strobl:
[...] Die Landschaften des Todes gefallen mir sehr, ich freue mich, sie in das letzte Heft zu stellen, und wenn es irgend mit dem Raum zu machen ist, Unter hohen Bäumen dazu.[ ...[ Nächste Woche reise ich zu Carossa, um ihm eigenhändig einen Beitrag für das nächste Heft zu entreißen, er tut es nicht billiger.[ ...] [Dazu: »Besuch in Rittsteig. Paul Alverdes über Hans Carossa«, Literatur in Bayern, Dezember 1993, Heft 34.]
Dieses letzte Heft des Inneren Reiches konnte nicht mehr erscheinen, da bei einem der schwersten Luftangriffe auf München am 17. 12. 1944 die Verlagsdruckerei zerstört wurde. Alverdes notiert daraufhin in sein Tagebuch: 
Die Mitteilung vom Aufhören des Inneren Reiches im Zuge der totalen Kriegsführung erfüllt mich fast mit Genugtuung. Ich werde nun keinen Nachfolger haben; und es ist das Rechte, daß mit dem Erlöschen unseres öffentlichen Lebens auch die Zeitschrift aufhört zu erscheinen.
Über die Geschichte dieser Zeitschrift vgl. Marbacher Magazin 26. 1983 und die Arbeiten von Horst Denkler (»Janusköpfig«. In: Die deutsche Literatur im dritten Reich. Stuttgart: Reclam, 1976, S. 382-405) und Marion Mallmann (Bonn: Bouvier 1978).
 

Brittings Gesundheitszustand verschlechterte sich nach Kriegsende. Er hatte der mangelhaften Ernährung wegen über 4o Pfund abgenommen, fühlte sich matt und hatte Atembeschwerden. Als ihn sein Freund Kiefhaber zum Arzt brachte, stellte dieser eine recht seltene Erkrankung fest: einen Spontanpneumothorax am linken Lungenflügel. Dreimal stach man ihm mit einer langen Nadel durch den Rücken, um den Lungenflügel, der »wie ein Fahrradschlauch, dem man die Luft ausgelassen hat« im Brustraum hing, wieder mit Luft zu füllen. Das gelang.
Seine finanzielle Lage war während der Kriegsjahre nicht bedrohlich geworden. Abdruckshonorare aus verschiedenen Zeitschriften und Zeitungen sicherten ihm ein bescheidenes Einkommen. Neben dem Inneren Reich waren dies eine Reihe von Tageszeitungen, darunter die Krakauer Zeitung im okkupierten Polen. Ab 1941 brachte deren Feuilletonleiter Struckmann regelmäßig Nachdrucke von Gedichten und Prosatexten Brittings, insgesamt über 5o Beiträge, neben Veröffentlichungen von Hermann Hesse, Arnolt Bronnen, Hellmut von Cube,Anton Schnack und anderen.
Britting profitierte auch, wenngleich geringfügig, von der Tatsache, daß während des Krieges in Deutschland mehr Bücher gekauft wurden als in Friedenszeiten. Sein Erzählungsband Der Schneckenweg, 1941 erschienen, brachte es auf eine Auflage von 20 000 Exemplaren.
1943 folgte Britting einer offiziellen Einladung nach Paris zu einer Lesung am dortigen Deutschen Institut.

Sein spätererVerleger CurtVinz war unter den Geladenen:
[...] mitten im Krieg im besetzten Frankreich lud das Deutsche Institut Paris, eine kulturpolitische Einrichtung des Auswärtigen Amtes, Berlin, für Freitag, den 26. März 1943, 20 Uhr, [...] zu einer Lesung von Georg Britting aus eigenen Werken ein.
Das war ein Ereignis, das mich faszinierte.[...]
Britting zählte nicht zu den bevorzugten Propagandadichtern, die man ins Ausland schickte. Er galt als unpolitischer Dichter. War er vielleicht gerade deshalb ein willkommener Repräsentant, ein Aushängeschild des Auswärtigen Amtes für die angeblich geistige Freiheit im nationalsozialistischen Deutschland?...
Britting las eingangs mehrere Stücke aus dem Hamlet, abschließend einige seiner unveröffentlichten Sonette vom Tod, darunter »Der Tod und der Feldhauptmann« und »Der Tod als Jägerknecht« [...] Da kam eine Welt zu Wort, die damals, nach Goebbels' Proklamation des »Totalen Krieges« und der verlorenen Schlacht um Stalingrad, nicht im Einklang stand mit der offiziellen Auffassung von »Heldentum« und »Tapferkeit bis in den Tod«.
Das Resultat dieser Lesung war die französische Ausgabe des Hamlet: Histoire d'ungrand homme, qui s'appelait Hamlet, übersetzt von Jean Lambert bei Gallimard am 25. Januar 1944 in einer Auflage von 3000 Exemplaren erschienen. [Vinz, Vorträge, S. 206]
Den Aufforderungen zu Leseabenden aus eigenen Werken, wie sie damals von Kulturvereinen und NS-Organisationen ausgingen, unterzog Britting sich aus wirtschaftlichen Gründen.
Bei einer Lesung in Miltenberg am Main lernte er das Ehepaar Georg-Britting-Stiftung und Fritz Weber kennen, mit dem er sich anfreundete. In den Sommerwochen der Jahre 1942, 1943 und 1944 war er deren Gast in Bürgstatt bei Miltenberg. Eine Reihe von Gedichten, die in die Bände Lob des Weines und Unter hohen Bäumen aufgenommen wurden, gehen auf Erlebnisse in Bürgstatt zurück; darunter »Das Jägerglück«, »Das Krähenhaus«, »Die Kürbisse«, »Der Mann in der Stadt sagt«. Bei den Nachkommen von Georg-Britting-Stiftung und Fritz Weber befindet sich ein Konvolut mit Briefen Brittings, das noch nicht erschlossen ist, ebenso eine Reihe von handschriftlichen Gedichtabschriften, die zum Teil das Entstehungsdatum einzelner Gedichte vermerken.
Als Britting am 31. Oktober 1942 in Seesen im Harz las, war unter den Zuhörern der Studienrat Georg Jung aus Helmstedt, der spätere Brieffreund. Jung schrieb 1987 in seinen Erinnerungen an Seesen (Aufzeichnungen, S. 43)
Es war eine jener Begegnungen, die nur zustande kommen, wenn sich vieles verbindet, um sie zu ermöglichen: sie scheinen zufällig zu sein und sind doch viel mehr durch das, was sie an dauerndem und sich ständig vermehrendem Gewinn stiften.
Georg Jung wurde 1 901 in Braunschweig geboren, studierte in Freiburg und Marburg deutsche Philologie, und war von 1930 bis 1966 Studienrat und Oberstudienrat am Gymnasium (Julianum) in Helmstedt. Seit 1966 lebte er in Göttingen, wo er 1988 starb.
In ihrer über zwanzigjährigen Beziehung sehen sich die Briefpartner nur 
noch dreimal. Die Verbindung bleibt ganz dem Literarischen verhaftet, Persönliches tritt zurück. Britting berichtet Jung von seinen Begegnungen mit berühmten Kollegen und Zeitgenossen die nach München kommen, von Ortega y Gasset bis Martin Heidegger, von seinen Zusammentreffen mit den Brüdern Ernst und Friedrich Georg Jünger oder seiner Lektüre Gottfried Benns: ungewöhnlich. bedeutend. schwierige essais. konzentrierter manchmal als [Ernst] Jünger. Er teilt mit, wie hinfällig Carossa auf der letzten Akademiesitzung gewirkt habe, oder lobt die körnige und dichte Prosa von Emil Strauß, die nicht leicht ihresgleichen habe. Vor allem wird in Brittings Briefen an Jung der Blick in die Werkstatt offengelegt. Dieser Band enthält kaum ein Gedicht, das nicht auf Jungs Schreibtisch gelegen hätte. Am dichtesten ist der briefliche Austausch in den Jahren 1946 bis 1958, dann nimmt Brittings Wortkargheit immer mehr zu. Auf Nachfragen Jungs, ob Britting ihm irgend etwas übelgenommen habe, schreibt ihm dieser am 13.8.1962:
[...] von einem einschlafen unserer korrespondenz soll und kann keine rede sein. nur: ich bin körperlich und das heißt auch geistig nicht recht in ordnung ... und zu schreiben fällt mir schwer.[ ...] trotzdem schreibe ich hin und wieder etwas, vers und prosa, aber es aus der hand zu geben fehlt mir der mut - unfertig ist das meiste.
Jungs Beileidsbrief zum Tode Brittings enthält den Satz:
Er ist also wissend und seinem Wesen treu gestorben, in der Haltung, die das erste Todsonett bezeugt.
Wenige Wochen später ordnete Jung chronologisch die Briefe und Postkarten Brittings und fand, daß es 430 Postsachen waren. Sie liegen heute in der Bayerischen Staatsbibliothek. Jungs Briefe an Britting sind verloren.
Der Briefwechsel setzte zögernd ein. Jung nahm den 17. Februar 1943 zum Anlaß, Britting das erstemal zu schreiben und erhielt am 24. 2. 1943 knappe Antwort:
Für Ihre Geburtstagswünsche danke ich Ihnen. Ihn, den Geburtstag verbrachte ich so halbwegs in Ihrer Nähe, in Wernigerode, wo ich zu lesen hatte. In Halberstadt, wo ich auch las, traf ich zufällig im Hotel einen Herrn, dessen Namen ich nicht weiß, den Erbauer des Hauses unseres Seesener Gastfreundes, und der schöne Abend dort wurde wieder lebendig!
lm Jahr darauf (1944) bedankt Britting sich wieder auf einer kurzen Karte für Jungs Geburtstagswünsche und fügt hinzu:
Es ist recht unruhig hier, im stillen Harz mags anders sein! Ich dichte so für mich hin, was soll ich anders tun auf diesem taumelnden Globus? 
Am 10. 12. 45 heißt es dann:
Lieber Herr Jung, [...] Sie haben also das fürchterliche Gewitter überstanden. Ich auch.[ ...] Was jetzt werden wird? Vorläufig ist hier strenger Winter, und ich habe wenig zu heizen. Pg war ich nicht, hab nie daran gedacht einer zu werden, und bei der Literaturverfolgung, die ausgebrochen ist, ist das ja gut. Carossa sogar hat Schwierigkeiten. Meine Todsonette, ein zeitgemäßes Thema, sind ziemlich abgeschlossen. Ich stelle eben so 7o bis 8o davon zu einem Band zusammen. Das Schicksal des Langen-Müller-Verlages ist höchst ungewiß. Es arbeitet ja auch sonst noch fast kein Verlag. Abwarten heißt die Parole.
Zu Jahresanfang 1946 berichtet Britting an Jung:
[...] ein neu aufgetaner Münchner Verlag, Carl Hanser, erhielt gestern seine Lizenz. Er bringt vorläufig Klassikerauswahlen, darunter eine zweibändige Mörikeauswahl, von mir herausgegeben. D. h. nur der Mörike. [...] Was aus meinem Langen-Müller-Verlag wird, ist unent- schieden. Ich habe schon allerhand Angebote von andern Verlagen, die auch meine früheren Bücher übernehmen wollen, von Piper z.B. Aber ich warte ab. Und stelle die Tod-Sonette zusammen [...]. Ich wundere mich, daß es schon so viele sind.[ ...] Ich hoffe, ich komme nächstens einmal dazu, ein Dutzend neuer abzuschreiben, und sie Ihnen zu schicken. Sie haben, entnehme ich Ihren Briefen, ein so gutes Organ für Lyrik, daß ich gern möchte, daß Sie sie läsen. [...] Eine gegründete Teilnahme, wie die Ihrige, ist nicht häufig.
Am 23.1.46 kommt Britting nochmals kurz auf die Mörikeausgabe zurück:
 
[...] in die zweibändige Mörikeausgabe, die im Sommer kommen soll, hab ich wohl an die 4/5 aller seiner Gedichte aufnehmen können. Sonst fängt das literarische Leben langsam wieder an. Die ersten Einladungen zu Vorlesungen, es ist gespenstisch.[...]
Auf einen zustimmenden Brief von Jung antwortet Britting am 18. März 1946: 

[...] es freut mich, daß Ihnen die tödlichen Sonette gefallen. Ich schrieb noch einige, aber jetzt, glaube ich, ist Schluß damit. Ich freue mich wah- haftig darauf, mich wieder in freieren Formen bewegen zu können. Es war, das Sonettieren, von allem andern abgesehen, eine gute Schule, denke ich. Ich habe mich bis vor einigen Jahren um Metrik und dergl. nicht viel bekümmert, theoretisch nicht, obwohl man mich immer einen Artisten schalt.

In seinem Brief vom 9. Mai 1946 bittet Britting (dem durch seine Hand-  verletzung aus dem Ersten Weltkrieg das Umschalten an seiner Schreibmaschine Mühe macht): 
 
lieber herr jung, darf ich in meinen briefen an sie alles »kleinschreiben« wie ich es bei Manuskripten mache, und in briefen an meine freunde: nicht aus irgendeinem Prinzip, sondern weils besser von der hand geht, und ich mit meiner krummen hand nicht so oft umzuschalten brauche?
Der Briefwechsel wird weiterhin vom Sonett-Thema beherrscht: Britting am 3.7.46:
[...] sie schreiben mir viel über sonette. hehn lehnt die form für die deutsche Sprache ab. goethe selbst sagt ja vom sonett, ungefähr: ich bin gewohnt aus vollem holz zu schneiden, hier (beim sonett) müßte ich mitunter etwas leimen. [...] ich selber habe mich rechtschaffen mit der sonettform herumgeschlagen, und es ist wahr, es drängt zum dialektischen, zur rede und gegenrede, zum dialog, zur antithetischen zuspitzung [...] aber theorie hin, theorie her, die praxis ist schmiegsam, und bringt das theoretisch nicht mögliche doch zustande.
Ein paarTage später:
[...] natürlich sind holprigkeiten in der begegnung, und sie wären unschwer zu glätten, aber ob ichs soll? die glatte romanische sonettform wollte ich verrauhen. wie ein architekt kann ich die mauer ganz glatt machen, oder etwas uneben. nicht aus snobismus! ein gefühl sagt mir das. drum auch unreine reime, und metrische ungehobeltheiten - es klingelt sonst zu sehr! ein schwieriges thema.
Am 27. 12.46 meldet Britting an Jung:
gestern las ich die korrekturen der todsonette zu ende. das buch heißt nun doch »die begegnung« und langsam gewöhne ich mich an den etwas farblosen titel, der aber doch seine vorzüge hat.
 [Es folgen auf den Seiten 324 bis 335 die Drucknachweise und Anmerkungen.]
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