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© Georg-Britting-Stiftung
Georg Britting
Sämtliche Werke  - Prosa -
Herausgegeben von Wilhelm Haefs
Band 3/2   Seite 79
Kommentar Seite 464

Aus: »Das treue Eheweib«        Besprechung von Martin Raschke, Vossische Zeitung


Die Windhunde

Diese Geschichte spielt in Südtirol, in einem Tal bei Bozen, auf einem Gut in einem Tal bei Bozen, und spielt um das Jahr 1800, aber durch die Täler rannen die Bäche wie heut, und die Berge trugen den roten und weißen Wein, den sie heut tragen.
Der Besitzer des Gutes, ein Herr von Pachold, hielt sich im Zwinger sieben Windhunde von edler Art, deren Pflege und Fütterung er dem zuverlässigsten seiner Knechte anvertraut hatte. Er liebte sie alle sieben, mehr fast, als man Tiere lieben soll, das tun viele Menschen, und mögen ihre Gründe dafür haben. Zwei davon waren ihm vor allem wert, Rubin und Flamme, die rotschnäuzigen, die breitbrüstigen, die flinksten und stärksten in der springenden, schnappenden, heulenden Schar. Und diese beiden nur, Rubin und Flamme, die Verwöhnten, waren auch in den Zimmern des Hauses zugelassen, und sie empfanden mit wildem Stolz dieses Vorrecht und verteidigten es und litten es nicht, wenn frech oder schlau einer der Genossen sich gleiches herausnehmen wollte.
Graue Haare hatte der Herr von Pachold an den Schläfen, und weil er gern gut aß und gern gut trank, war ihm ein kleiner Spitzbauch zugekommen. Aber wie er quer durch den Garten ging, sich schnell und zierlich bückte, die Blume pflückte und kühn weiter schritt, war er kein alter Mann, kein böser, alter Mann. Die Nase saß ihm schief im Gesicht, das war nicht lächerlich, es sah verwegen aus und hochmütig und so lustig, daß jedem das Kichern im Hals erstickte.
In wichtigen Geschäften reiste der schiefnasige Herr nach Verona. Das war eine Reise, die er im Jahre dreimal - und viermal und öfter machte, eine Reise, die zusammenhing mit Weinberg und Geflügelhof, mit Wald und Saat und Ernte-und gleichviel, womit sie noch zu tun hatte, er reiste diesmal wie immer unbefragt und ohne Erklärungen abzugeben, südwärts der Ebene zu.
Der junge Vetter, der ihn zu besuchen kam, verfehlte den Gutsherrn. Er kam unangemeldet, er kam von einem längeren Aufenthalt in Rom zurück, und weil das Gut Pachold auf seinem Reiseweg lag, machte er ein paar Tage Rast, drei Tage nur, und diese drei Tage verbrachte er also allein mit Frau Maria, dem Eheweib des Schiefnasigen. Es schien in der Folge, daß ihm das gerade recht sein mochte, daß er den abwesenden Ehemann wenig vermißte, gar nicht vermißte sogar, so angenehm machte es sich zu zweien. Ihm war alles wie ein Traum, wie ihm auf Pachold geschah, dem Jungen, und ein wenig träumte auch Frau Maria, und wußte es sich später nicht zu erklären, wie alles so rasch gekommen war, am ersten Tage gleich, und sie hatte es selber, verführt und Verführerin, so gelenkt. Sie redete sich nicht ein, daß sie den Vetter liebe, so verlogen war sie nicht. Sie hatte noch nie gespürt, was Liebe war – oh, sie hatte eine mächtige und süße Vorstellung davon, wie das sein mußte, aber ihr war es versagt geblieben im Leben. Nun, aber dann durfte sie erst recht (wer konnte sie da tadeln? das glaubte sie sich zugestehen zu können,) einen vollen Atemzug nehmen von dem Duft des Frühlings, den ein glücklicher Wind durch ihren sich schon neigenden Sommer trug. Ja, so drückte sie sich in Gedanken aus, feierlich und in gehobenen Wendungen und ein wenig übertrieben, wie man das leicht tut, um einer schlechten Sache ein gutes Kleid umzuhängen. An die zwanzig Jahre schon lebte sie mit dem Herrn von Pachold in der gemäßigten Wärme einer kinderlosen Vernunftehe, in einem gleichmäßigen Dahingleiten der Tage und Monate und Jahre, in einem gegenseitigen höflichen Gewährenlassen, von dem sie bisher keinen Gebrauch gemacht hatte, er, vielleicht, auch nicht, oder, vielleicht, vielen. Warum fuhr er so oft nach Verona? Aber das wußte sie nicht, und wollte sie nicht wissen, und vielleicht tat er es wirklich nur der Ernte wegen, der Weinberge wegen und des Geflügelhofes.
Der Geliebte, (ach, er war es nicht! lächelte Maria) reiste am vierten Tage wieder ab, und obwohl er sich sehr zusammennahm, der Dienerschaft wegen, die ihm das Gepäck an den Reisewagen brachte: daß seine Stimme zitterte, als er »Lebewohl« und »Auf Wiedersehen« sagte, konnte er nicht verhindern, und daß sie nur »Lebewohl« sagte und nicht »Auf Wiedersehen«, fiel ihm vielleicht gar nicht auf, und ihre Stimme zitterte gar nicht. Der Wagen fuhr an, sie sah sein Gesicht am Fenster, er brachte kein Abschiedslächeln fertig, und eine Abschiedsträne, er hätte sie gern geweint, durfte nicht sein, so sah er verschlossen und fast wie abweisend aus und so sah sie sein strenges Gesicht kleiner werden, und schwankend vergings.
Als Maria sich umwandte, ins Haus zu gehen, sprang ihr Rubin entgegen und drückte seinen Kopf in ihre Hand. Der Hund erschrak, als sie zornig mit dem Fuß aufstampfte und ihm »Marsch! Fort!« zurief. Sie errötete über ihre Unbeherrschtheit und wollte das Tier wieder zurückrufen, aber sie unterließ es. Als sie sich an jenem ersten Abend auf dem Ruhebett aufgerichtet und die verwirrten Haare zurechtgeschoben hatte, war ihr Blick dem Blick Rubins begegnet, der sie unverwandt angesehen hatte, wohl schon eine ganze Weile, weil er, wie oft, auch diesen Abend im Zimmer gewesen war, ein stummer und unschuldiger und unverstehender Zeuge. Sie sah den Hund nicht mehr gern, seitdem.
Ohne Befangenheit ging sie eine Woche später; als der zurückkam, ihrem Mann entgegen. Die Umarmung, mit der er sie begrüßte, war inniger, als es von seiner sonst immer gleichmäßigen Freund-lichkeit zu erwarten war. Das Abendessen ließ sie im Garten auftragen. Die Stimmen der Nacht verstummten nicht, ein Vogel schwirrte durchs Gezweig, im Blau schwamm der Mond, und die Rücken der Berge waren wie gewölbte Tierleiber. Der schiefnasige Herr sprach schnell und erregt, und als sie vom Besuch des Vetters erzählte und von seinem Bedauern, ihn nicht angetroffen zu haben, horchte er kaum recht hin. Der Klang seiner Worte setzte sie in Verlegenheit, und als er ihr das Handgelenk küßte, und das hatte er lang nicht mehr getan, wußte sie, daß er die Nacht an ihrer Seite zu ruhen wünschte. Sie hätte am liebsten »Nein« gesagt, aber das erschien ihr lächerlich, und womit hätte sie die Weigerung auch begründen sollen, und so verbarg sie ihre Unruhe und ging lächelnd, und daß sie dabei stolperte, war nur eine Ungeschicklichkeit, warum gab sie nicht besser ach? an seinem Arm die Treppe zu ihren Zimmern hinauf.
Als am andern Morgen, sie saßen beim Frühstück, das Rudel der Windhunde, aus dem Zwinger entlassen, Freudentänze vor ihnen aufführte, johlend, im Spiel nacheinander schnappend, als da Rubin in wütender Zärtlichkeit dem langentbehrten schiefnasigen Herrn die Pfoten auf die Brust setzte und ihm den heißen Atem ins Gesicht stieß, und der scherzend sagte: Nun, mein Guter, erzähl! Was war alles los, seit ich weg war? war Maria rasch aufgestanden. Und als sie ihren Mann bat, Rubin erschießen zu lassen, und ihn bat, sie nicht nach dem Grund zu fragen, warum sie das wünsche, hatte der Schiefnasige sie erstaunt angesehen. Vielleicht, dachte er, vielleicht hat das Tier sie gebissen, im unerwarteten Ausbruch wilden Triebs, und er wußte, wie das kränkt. Oder es ist eine Laune, dachte er, aber sie hat sonst keine Launen, und sie bittet mich selten um etwas, und da will ich es ihr nicht abschlagen, und es sei wie es sei, aber schade ist es um das schöne Tier, und dabei winkte er schon einem Knecht. Sie fütterten am Teich die Schwäne, die langhalsig und eitel ihre Kreise zogen, da fiel ein Schuß. Maria bebte nicht, als sie im Weitergehen die Hand auf den Arm ihres Gatten legte. Rubin war tot. Es gab nicht mehr zwei lebendige Augen, und wenn es auch nur Hundeaugen waren, auf deren Grund sich ein Bild spiegelte, das niemand sehen sollte. Der Morgenwind rauschte in den Büschen und die verschleierte Luft versprach einen schönen Tag.
Der schiefnasige Mann hatte gut gespeist, wie er das liebte, und den schweren roten Wein seines eigenen Wachstums dazu getrunken, vielleicht ein wenig zu viel getrunken an dem heißen Mittag, und nun lag er im kühlen Zimmer auf dem niederen Lager und sah durchs Fenster ein Stück knallblauen Himmels und graugrün schimmernde Weingärten, und meinte die kochende Luft zu sehen, die über den Hängen in Wellen stieg. Er war allein beim Mahl gesessen, denn Maria hatte in Bozen zu tun; ihrer Hüte wegen, oder Röcke, oder sonst Frauen-Schnickschnack. Mißmutig war er, ohne Grund, schien ihm, und er drehte sich auf dem Lager, und erblickte Flamme, den Hund, der in der Ecke lag, den Kopf auf den vorgestreckten Pfoten, und ihn ansah. Wo ist der Rubin jetzt? fragte er den Hund, der eine unverständliche Antwort mit dem Schwanz auf den Boden klopfte. Warum wollte sie das Tier tot haben? Es war unrecht von ihr und von mir und ich hätte ihr nicht nachgeben sollen! Nur ein Tier bist du, murrte er, bist nur ein Tier, schrie er Flamme an, den Hund, der kurz und beleidigt zurück bellte. Ach was! Wein! schrie er, indem er die Tür aufriß, an der Schelle zog. Anna! Einen Krug Wein! rief er schallend in den Flur hinaus, und das Echo ahmte ihn nach.
Sie kam mit dem Wein und stellte ihn auf den Tisch und wollte wieder gehen dann, aber er ließ sie nicht gehen. Er sah ihre dunklen, verschwimmenden Augen und sagte: Gieß ein! und sagte: Trink! Sie trank, und er trank auch, und sie wollte wieder zur Tür jetzt, aber er hieß sie bleiben, und sie blieb. Er lachte, und sie lachte und ihr Mund war rot und trocken, und er war sonst nicht der Mann, der sich mit Mägden abgab, mit Mägden im eigenen Hause nicht, und das eigene Nest reinhalten, das wenigstens sollte man, ging ihm durch den Kopf, als er den Arm um sie legte und ihre Bereitwilligkeit spürte und dann nicht mehr widerstand, in keiner Weise.
Er war eingeschlafen dann, und als er erwachte, sah er Flamme, den Hund, in der Ecke liegen, wo er vorher gelegen war, den Kopf auf den vorgestreckten Pfoten und die Augen auf ihn gerichtet. Herr von Pachold zog die schiefe Nase kraus. Da stand der Wein noch, er trank, da hatte die Magd draus getrunken. Er hob das Glas hoch, es zu Boden zu werfen, und er wußte nicht, warum er auf den Hund damit zielte und den Schwung gerade noch so bremsen konnte, daß nur die Scherben dem Tier um den Kopf prasselten und nicht das Glas selber ihn traf. Der Knecht war an die Launen der Gebietenden gewöhnt, (was ging es auch ihn an? Sollten sie!) und er dachte nicht viel dabei, als er den Befehl vollzog und im Garten, an der Mauer, da wo der Holunderbusch stand, da wo er gestern einen Hund niedergeschossen und ihn auch verscharrt hatte, heut einem zweiten eine Kugel in den Kopf jagte. Die Grube war nicht tief und war leicht wieder zu öffnen, einen zweiten Kadaver dazu zu legen. Und dem Holunderbusch, sicher, würde das gut bekommen, die Erde verwandelt alles und macht aus Eklem noch gute Speise.
Maria rief den Hunden. Als die Tiere sie umspielten und sie sah, daß nicht nur Rubin fehlte, sondern jetzt auch Flamme, als sie das sah und nach dem Grund fragte und sie von dem Knecht erfuhr, was geschehen war, verstummte sie tief. Der Kiesweg lief in schnellen Windungen zu einem kleinen Tempel empor. Sie setzte sich auf die Steinbank, stützte die Hände auf die sonnenwarmen Platten und träumte in das Wipfelneigen. Sie verbot ihren Gedanken, sich mit dem Schicksal der beiden Windhunde zu beschäftigen. Wofür mußten die zwei schönsten des Rudels sterben? Nun, nun, sie waren tot, und das war gut so, und sie würde ihren Mann so wenig nach dem Grunde fragen, als er sie danach gefragt hatte.
Sie hatten sich ja auch sonst gegenseitig nicht viel gefragt, hatten das meiste unausgesprochen gelassen, was sollten sie nun miteinander reden darüber, was es mit dem Geheimnis der beiden Hunde für eine Bewandtnis hatte. Sie spürte, und fast mit Schmerz und Scham, daß es Menschen gab vielleicht, oder gegeben hatte, tiefer und mächtiger Gefühle fähig, bei denen es nicht so wie bei ihnen im Spiel am Rand der großen Leidenschaften abgelaufen wäre. Sie erkannte wohl auch, daß sie klein waren, weil sie dergleichen so leichthin abtaten, aber so waren sie nun einmal beschaffen, und es gab auch kein Gesetz, das streng über ihnen geherrscht hätte, glaubenslosen Kindern einer aufgeklärtenZeit.
Man erinnert sich vielleicht, daß es im Mittelalter die Einrichtung der Prügelknaben gegeben hat, daß, wenn der Prinz Strafe verdiente, der Spielgefährte sie bekam. Hier wurden zwei Hunde in Stellvertretung getötet, hier luden Menschen die Sühne für ihre Schuld ab auf die vierbeinige Kreatur, im Sinnbild wurde einer Gerechtigkeit Genüge getan, die, gegen Menschen geübt, allzu streng erschienen wäre.
 
 


 
 
 
 



Drucknachweise und Anmerkungen:

S.79 Die Windhunde
Zuerst erschienen in: Die Neue Rundschau, 44, 1933, S.125-129 [Juli].
Hier fehlt der letzte Absatz (vermutlich aus Platzgründen von der Redaktion gestrichen). - B. selbst empfand den Abdruck des umgearbeiteten Textes als »eine seltsame Auferstehung« (an Knöller, vor dem 27.5.1933).
Eine erste, stärker abweichende Fassung u.d.T. Die Windspiele in: Simplicissimus, 29, 1924, S.i42f. [2 Juni]. –  Diese Fassung enthält noch keine historische Situierung (›Bozen um 1800‹) und noch keine soziale Charakterisierung (adliger Gutsbesitzer). Der Besitzer der Windhunde heißt »der Statthalter«, und seine Reise unternimmt er in wichtigen »Staatsgeschäften«.
In der zweiten Fassung – erschienen in: Frankfurter Zeitung, Nr.874, 24.11.1926, sowie in Michael und das Fräulein, S.63-70 [M] –  ist das geändert. Sonst bietet sie den Wortlaut der ersten mit einigen bedeutenden Erweiterungen. Dabei weicht auch diese Fassung noch stark von der dritten ab. Für einige Passagen gilt die Deutung Bodes: »Das Preziöse eines Expressionismus, in dem fast noch ein älteres Stück Jugendstil steckt, ist evident.« (S.17)
S.79, Z.7-19: von edler Art [...] herausnehmen wollte. M: von edler Art. Wie weiße und heiße Sicheln blitzten sie durch das Grün des Parkes. Sie horchten auf sieben erlesene Namen. Die zwei rotschnäuzigen, die flinksten und die stärksten, hießen Rubin und Flamme. Die Augen im schmalen, langgestreckten Kopf hielten sie geduldig, unaufhörlich, mit saugender Beständigkeit auf den Herrn, auf die Herrin gerichtet. Frau Maria von Pacholdinger liebte diese beiden vor allen. Sie trugen sich schlank und schwebend, und wenn das Rudel heulend durch die Lichtung jagte, züngelten sie zornig vor dem Keil der Genossen. Doch von ihr an verflochtenen, gelben Lederschnüren geführt, wiegten sie sich löwenhaft zu ihren Flanken.
S.8o, Z.5–23: Johannes [...] sich zugestehen zu können M: Johannes, sah noch um die Bäume die Staubkränze flimmern, die der Reisewagen des Gutsherrn aufgewirbelt hatte. Der junge Ankömmling blieb nur drei Tage. Er liebte es, knabenhaft wie er war, auf der Schaukel die Empfindung der Schwere zu verlieren. Wenn sie im Bogen so hoch stieg, daß sie sich fast überschlug, ließ er für Augenblicke die umklammerten Stangen los, um sich wie ein Stern zu fühlen, der schmalkielig in den Raum hinausstößt. Die unbekümmerte Frische seiner zwanzig Jahre trank Frau Maria wie ein Glas reinen Quellwassers. Und als sie sich gab, und das war am zweiten Tag, und auch später schämte sie sich nie, daß es so rasch geschehen war, tat sie es mit unschuldiger Lust, fühlte nichts von Reue, und es war ihr ohne Grübeln klar, daß es nicht verboten und verwerflich sein konnte
S.Si, Z.5?29: lächelte Maria [...] sah den Hund nicht mehr gern, seitdem. M: lächelte Maria, der junge Herr fuhr wieder zu seinen Eltern, die in Böhmen wohnten. Sie sah ihn ohne Erschütterung gehen, und süß war die kleine Traurigkeit, die sich ihrer nach seiner Abreise bemächtigte. An jenem Abend, da sie die Liebe des Knaben genommen hatte, wie man den blühenden Zweig des Apfelbaums bricht, der sich durchs Fenster ins Zimmer neigt, hatte Rubin zu Füßen des Ruhebetts geschlafen. Und obwohl sie es lächerlich fand und sie diese Empfindlichkeit bekämpfte, konnte sie es nicht hindern, daß der Anblick des Hundes sie reizte und sie zu erröten zwang, wo ihr Herz den Freispruch getan hatte.
S.82, Z.15 – S.83, Z.5: hinauf. [/] Als am andern Morgen [...] das niemand sehen sollte. M:hinauf [/] Der Gutsherr setzte das silberne Pfeifchen an den Mund: Wie der Schlag einer Peitsche fuhr der schrille Ruf in die Ohren der Windhunde. In einem blitzenden Wirbel bäumten sie sich empor, zerspritzten und zerflatterten an den beiden. Maria streichelte Rubin. Als sich sein glatter Kopf in ihre Hand schmiegte, fühlte sie die Notwendigkeit eines Opfers. Ihre Ruhe war nicht gefährdet durch die Erinnerung an das sanfte Glück jenes Abends. Aber es verwirrte sie, daß es zwei lebendige Augen gab, auf deren Grund sich ein Bild spiegelte, das niemand sehen durfte. Als sie ihren Mann mit gesenkter Stimme bat, Rubin töten zu lassen, und ihn bat, sie nicht nach dem Grund dieser Bitte zu fragen, hob er nur mit höflichem Erstaunen die Augenbrauen, zuckte mit der schiefen Nase, winkte einem Diener. Sie fütterten am Teich die Schwäne, da fiel ein Schuß. Maria bebte nicht, als sie im Weitergehen die Hand auf den Arm ihres Gatten legte. Rubin war tot. Wer las noch in seinen Augen?
S.83, Z.6 - S.84, Z.3: versprach einen schönen Tag. [/] Der schiefnasige Mann [...] in keiner Weise. M: versprach einen schönen Tag. [/] Herr von Pacholdinger trug ein leichtes Hauskleid und lag auf einem niederen Diwan und sah durchs Fenster auf die graugrünschimmernden Weinberge und den blauen Himmel darüber und war angefüllt von einer Traurigkeit, für die er keine Ursache wußte, angefüllt bis zum Rand, wie ein Krug, der überlaufen will. Flamme kauerte in einer Ecke und die glänzenden Kugeln der Augen hielt sie fest auf den Herrn gerichtet. Der Ruhende ließ seine Gedanken dunkle, verquälte Wege gehen. Langsam wandte sich die Erbitterung, die er gegen sich empfand, gegen seine Frau, und mit einem Mal wußte er, daß er sich und ihr zürnte, weil er Rubin hatte töten lassen. Aber vielleicht war das auch nur ein Vorwand, um der Traurigkeit, die nicht nachlassen wollte, Richtung und Ziel zu geben. Er lockte Flamme herbei und spürte besänftigend die Wärme ihrer Kehle. Er wollte Wein trinken. Anna, die junge Dienerin, errötete unter seinem Blick. Und während er mit der Linken Flamme streichelte, immer wieder streichelte, lag seine Rechte um das runde Dienerinnenknie. Federnden Schrittes verließ Anna das Zimmer, gedemütigt, und stolz, weil der Herr sich zu ihr geneigt hatte.
S.84, Z.8-23: kraus. Da stand der Wein noch [...] noch gute Speise. M: kraus. Er bog das Knie und zog den Fuß hoch, und es reizte ihn, dem Hund einen Tritt zu geben. Der Diener war an Launen der Gebietenden gewöhnt und dachte nichts weiter, als er den Befehl vollzog und im Garten, da, wo die Mauer über den Graben springt, den Hund niederschoß.
S.85, Z.1 - 15: Der Absatz fehlt in M.
Der Text der Gesamtausgabe (E 1, S.93-100) enthält folgende Abweichungen:
S.8o, Z.4f: der Herr Vetter Johannes Fehlt in E1.
S.8o, Z.9: er kam von einer deutschen Hochschule zurück E 1: er kam von einem längeren Aufenthalt in Rom zurück
S.8o, Z.7f: seine Eltern [...] ihn Fehlt in E 1.
S.8o, Z.2g: Herbst E 1: sich schon neigenden Sommer
S.8o, Z.28-30: umzuhängen. Durch ihren Herbst [...] gegangen war E 1: umzuhängen. An die zwanzig Jahre schon lebte sie mit dem Herrn von Pachold
S.82, Z.8f: und [...] fühlte Fehlt in E 1.
S.82, Z.gf: bei ihr zubringen würde E 1: an ihrer Seite zu ruhen wünschte S.82, Z.25: töten E 1: erschießen
S:83, Z.14: stieg. Er war mißmutig E 1: stieg. Er war allein beim Mahl gesessen, denn Maria hatte in Bozen zu tun; ihrer Hüte wegen, oder Röcke, oder sonst Frauen–Schnicknack. Mißmutig war er
S.85, Z.12-15: glaubenslosen Kindern [...] gewesen war E 1: glaubenslosen Kindern einer aufgeklärten Zeit