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Georg Britting
Sämtliche Werke  - Prosa -
Herausgegeben von Walter Schmitz
Band 1 - Frühe Werke - Seite 19

Anmerkungen

An der Herzogsmauer
 

Der Wind spielt nilit den gelben und braunen Blättern, die den Boden bedecken, und führt einen tollen Tanz mit ihnen auf. In wilderjagd hetzt er sie die Mauer entlang, um sie mit seinem Lachen plötzlich in die Luft zu wirbeln. jauchzend fängt er sie auf seinen breiten Schwingen wieder auf, trägt sie eine Strecke fort, um dann das verrückte Spiel von vorne zu beginnen. Die Donau sieht in gemessener Ruhe dem ausgelassenen Tun des Wildlings zu. Sie scheint ihre alte Bekannte, die Mauer, zu grüßen und geschwätzig schlagen ihre Wellen an das Ufer, nimmer müd im Erzählen. Nur manchmal wird das leise Rauschen ihrer Wasser übertönt von einem hohlen Gurgeln, das von der Mitte des rnächtigcii Stromes kommt, wo die helmtückischen Strudel lauern. Ober die verwitterte, zerbröckeinde Mauer nicken grüne Sträucher, leuchten in bunten Herbstfarben die Wipfel der Bäu nie. Weinlaub klettert über die Risse und Spalten des Gestcins und umkleidet die Quadern mit sattem, dunkelndern Rot, Auf den vermoosten grauen Steinen blinzelt ein verirrter Sonnenstrahl, der vorwitzig durch das dichte
Geäst einer Buche schlüpfte. In sanften, leicht geschwungenen Linien zieht sichjenseits des Stromes der flache Hügelzug hinan auf dessen Hängen der Herbst in blassem Golde liegt. Die Türme der Stadt schieben sich im Osten in das Bild und die drei Donaubrücken überspannen im weiten Bogen den Fluß, dessen breites Silberband mit einem verlöschenden Funkeln am Horizont endet. Die ganze Schönheit des Herbstes, die sanfte Melancholie seiner Farben und die süße Traurigkeit seiner Stimmung ist an diesen Ort gebannt. Das milde Sterben der Natur ist im sonnigen Frühherbst von einem eigenen Zauber umflossen, dessen verklärte Schönheit an Eindringlichkeit der Fülle und Pracht des Sommers nicht nachsteht. Wer sie ganz empfinden und auskosten will, der wandere an einem warmen Nachmittag der Donau entlang, bis ihn die Schatten der Herzogsmauer aufnehmen und verwelle dort, in schwelgendem Schauen versunken.