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Georg Britting
Sämtliche Werke  - Prosa -
Herausgegeben von Walter Schmitz
Band 1   Seite 91, 93 und 95

3 Erzählungen aus: »Der verlachte Hiob«

Die Irren  | Totentanz    |   Jor auf der Flucht

Kommentare Seite 627



 
 
 
 
Die Irren

Peter sah mißtrauisch zu Innocenz hinüber. Innocenz lag im Schaukelstuhl, bewegte die Arme wie am Steuer und segelte über das unruhige Wasser. Von Zeit zu Zeit brüllte er ins Nebelhorn. Als der Wellengang immer heftiger wurde, klammerte er sich ängstlich am Maste fest. Der Sturm ließ nach. Innocenz stieg vom Schiff. Palmen und Klippen. Ein Weg lief landeinwärts. Peter kam des Wegs daher. Er rief Peter an. Peter stand am Fenster und drehte sich nicht um. Ließ Innocenz schreien. Aber Innocenz hatte ihn schon wieder vergessen. Er kniete am Boden, wo er Glänzendes gefunden hatte. Licht, von der Sonne auf die Bretter geworfen. Innocenz badete seine Nägel in dem Blanken. Er spülte lächelnd die Hand darin. Hob sie und sah das Licht tropfen. Er schmiegte die Wange in das Weiße und spürte Wärme. Peter sah ihm zu. Er schlich beunruhigt näher. Eifersüchtig. Er kniete neben Innocenz, auch die Hand in dem Blanken zu waschen. Auch die Nägel im Glanz zu baden. Die beiden Hände berührten sich. Stemmten sich gegeneinander. Peters Hand, groß und zornig, drängte die schmälere des Innocenz in den Schatten. Innocenz packte die Hand Peters wie ein freches Tier am Nacken und schleuderte sie weg. Peter kniff die Augen zusammen. Er hob die Hände wie Zangen und legte sie langsam um den Hals des Innocenz. Der sah ihn freundlich und neugierig an und strudelte mit den Fingern im Glanz, der ihm nun wieder ganz gehörte. Peter drückte fester zu. Er wühlte die Daumen ins Fleisch. Innocenz, rot, geschwollen das Gesicht, war ihm nicht böse. Er machte einen Versuch zu lachen. Es zuckte um seine Mundwinkel, es flirrte um seine Augen, es warf um seine Nase lustige Falten. Aber aus seiner umklammerten Kehle konnte kein Ton dringen. Peter lockerte kurz die Krallen. Da lachte Innocenz. Laut, fröhlich, schmetternd, aus ganzem Herzen, tief heraufgeholt. Schon schlossen sich Peters Finger wieder. Mit den Augen lachte Innocenz noch als er schon tot war. Peter zog den Leichnam zum Fenster und versteckte ihn in den Falten des Vorhangs. Dann beugte er sich zu dem Blanken nieder, das nun sein unbestrittenes Eigentum war, und legte freudig die Finger hinein.


 
 

Totentanz

Soldaten der Regierung hatten sie festgenommen, als sie den Aufrührern im belagerten Haus Eßvorräte bringen wollten. Der kleine, dicke Feldwebel sagte mit freundlicher Stimme: »Sie werden erschossen werden, meine Herren!« Die drei versuchten unbeteiligte Gesichter zu machen. Jakob knöpfte sich den Rock zu. Es wehte ein kalter Wind. Daran wird man sich jetzt gewöhnen müssen, an die Kälte, dachte er. Julius war ein wenig bleich geworden. Aber, Kopf hoch! Brust heraus! kommandierte er sich selber. Brust heraus! erst recht wenn sie darauf die Flinten anlegen. Ludwig lächelte lautlos. Nun war es soweit. Kein schönrer Tod ... Er grinste, daß ihn sein Begleitmann erstaunt ansah. Man brachte sie in ein ausgeräumtes Zimmer mit vergitterten Fenstern. Nur ein paar alte Stühle standen herum. Nebenan lärmten die Soldaten. Julius begann Briefe zu schreiben. Das war noch so in ihm vom Feld her. Da hatte man auch vor jeder großen Sache noch einmal heimgeschrieben. Den Krieg hatte er dann doch überstanden. Er war bei Arras nicht gefallen, an der Somme nicht und nicht in Flandern. Jetzt trafs ihn in Deutschland. Er sah aufmerksam auf seine Finger, die ernsthaft seinen letzten Willen malten. Jakob saß mit hängenden Armen. Erhorchte zu den Soldaten hinüber. Die schrieen vergnügt. Sie trommelten mit den Knöcheln auf den Tisch beim Kartenspiel. Ludwig ging auf und ab. Sie sprachen alle drei nicht. Da drangen die Töne einer Ziehharmonika über sie herein. Nach einer kurzen Überleitung ordneten sie sich zu einem Walzer. Ludwig und Julius waren aufgestanden, aufeinander zugegangen, hatten sich umfaßt und tanzten nun zu der Musik. Sie blickten entschlossen, als gäben sie sich nicht einem Vergnügen hin, sondern kämen einer unaufschiebbaren Pflicht nach. Sie drehten sich, ein wenig steif, hoben die Kniee und machten um den Stuhl, der ihnen den Weg sperrte, immer den gleichen behutsamen Bogen. Jakob hatte ihnen zuerst mit geringer Teilnahme zugesehen. Dann schien er unwillig zu werden, schüttelte den Kopf, schwieg aber. Er stellte sich in eine Ecke und wies ihnen den Rücken. Aber nun er es nicht sah, hörte und fühlte er das beharrliche Schleifen und Kreisen der Tanzenden. Er wandte sich, krümmte den Mund und sagte nur: »Laßt doch die Dummheiten!« Seine Stimme erreichte das Ohr der beiden nicht. Sie waren nun wärmer geworden. Ihre Gesichter hatten sich gerötet und die Hüften bogen sie wohlgefällig im Takt. Jakob fluchte. »Wollt ihr aufhören? Ihr seid Narren!« Seine Wut steigerte sich. Seine Stirn wurde purpurn. Er fuchtelte mit den Armen und brüllte: »Ihr Schweine! Ihr dreimal verdammten Schweine! Man wird euch erschießen und ihr tanzt! Seid ihr verrückt geworden, ihr Schweine?« Die beiden hörten ihn nicht. Die Musik wurde stärker und süßer. Sie sahen einander an mit einem festen und unbeirrten Blick. Jakob tobte wie besessen. Er beschimpfte sie mit den unflätigsten Worten. Er stampfte mit den Füßen. »Aufhören! Aufhören« schäumte er. »Hurenbande, wollt ihr aufhören!« Er winselte, jammerte wieder laut, schlug in Verzweiflung mit den Händen gegen die Wand und fing dann zu weinen und zu schluchzen an. Dazwischen entquollen seinem Mund wieder gräßliche Flüche. Aber die Tanzenden hörten sie nicht. Während im Hof acht Mann die Gewehre luden, hatten die Soldaten im Nebenzimmer die Tür geöffnet und sahen lachend das sonderbare Schauspiel. Sie stießen sich wiehernd in die Seiten und klatschten Beifall. Der Harmonikaspieler hatte sich ganz nach vorn gedrängt, wollte sich ausschütten vor Vergnügen und ließ nicht ab den beiden Musik zu machen, angefeuert durch die Zurufe seiner Kameraden. Bis der kleine Feldwebel eintrat, Ruhe gebot, und mit seiner freundlichen Stimme sagte: »Machen Sie sich fertig, meine Herren!«

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Jor auf der Flucht

Jor jagte im Garten die Magd. Die goldnen Ringe klirrten um seine Knöchel. Beim Pflaumenbusch griff er ihre Zöpfe. Er riß ihren Kopf zurück, stützte sein Kinn auf ihre Schulter und roch den warmen Geruch ihrer Brust. Die Magd schrie, verstummte, als seine Hände ihren Bauch betasteten. Sie legte die Lippen an seinen weißen Hals.
Am Brunnen wusch er sich die Hände und spülte sich den Mund. Die Doggen sausten gegen die Stäbe des Hundezwingers. Ihre roten Zungen flatter-ten, aber zu heulen wagten sie nicht. Er zog das Gitter in die Höhe und die Hunde schnellten sich heraus. Jor begann zu rennen. Die Hunde hatten die Nasen an seinen Fersen und keuchten stumm.
Im kühlen Saal saßen die Eltern. Er sah den Bru-der nicht an, ließ sich von der Mutter einen Apfel schälen und ging. Han zerlegte der Mutter ein saftiges Stück. Sein großes Kinn hing schwer an seinem Gesicht. Die Eltern redeten nichts, Han sah die Mutter aufmerksam an.
Jor stand nackt vor dem Spiegel. Er salbte sich, machte seine Zehennägel glänzend. Bis ein Diener kam, Kleider über dem Arm.
Jor saß mit einem Sprung im Sattel. Er galoppierte quer über das Feld. Der Wind kühlte ihm Hals und Haar.
Orla stand unter der Tür. Ihre runden Augen glänzten freudig. Sie legte ihm die kleinen Hände auf die Brust.
Er aß Lammbraten, dessen erregenden Geschmack er jedem vorzog. Er blieb eine Stunde bei ihr und als er ging, ohne sie berührt zu haben, ward sie ein wenig traurig und dann wieder freudig bei dem Gedanken, daß er morgen wieder käme.
Die beinernen Würfel flogen, aber der schwarzen Punkte waren es nie so viele, wie bei dem Griechen. Das war durch Stunden so. Das letzte Goldstück schenkte er einem Diener und ritt heim.
Han fuhr im zweispännigen Wagen über die Fel-der. Seine Augen waren überall. Er setzte einen Aufseher ab, weil bei ihm die Frucht niedriger stand als in den übrigen Bezirken. Er verhandelte mit einer Abordnung, die sich beklagte, daß die Peitsche des Verwalters martre. Er ließ Wassergräben anlegen und Felsen zertrümmern. Am hohen Vormittag lenkte er den Wagen zum Herrenhaus zurück, Ochsenhändler zu empfangen. Jor schau-kelte im Garten in einer Hängematte, sah nicht auf, als der Bruder vorüberfuhr und fütterte Tauben, rote und graue.
Den Nachmittag saß Jor wieder im Spielsaal. Der Grieche nahm ihm einen Beutel Gold ab und ge-wann noch Orla und das Lusthaus, die Jor als letz-ten Einsatz anbot.
Seine Schwägerin Jug saß auf einer Bank im Gar-ten. Jor sprach höflich mit ihr. Sie begann zu wei-nen. Er zuckte die Schultern und ging zu den Hun-den.
Er verspielte ein Ölbaumwäldchen an den Grie-chen. Jug kam nachts zu ihm. Er verbeugte sich und begleitete sie bis zur Tür ihres Schlafzimmers, und trat in die Kammer der Dienerinnen, wo er bei der jüngsten schlief.
Han fuhr übers Feld und sah. Leute, die das Ölwäldchen fällten. Sie wiesen ihm Jors Unterschrift. Sein großes Kinn sank.
In der Nacht fand Han den Platz neben sich leer. Er suchte Jug, und eine Dienerin verriet ihm den Weg. Sie lag nackt neben dem schlafenden Jor.
Sein großes Kinn sank wie unter einem Schlag. Er schickte Jug zu ihren Eltern und zahlte die Mitgift zurück in Gold und Viehherden. Jor sah über ihn hinweg.
Der Grieche kam und wies Jors Unterschrift und ließ hundert Pferde aus den Ställen holen.
Jor aß mit den Seinen. Die Mutter schälte ihm den Apfel. Der Vater schlug mit dem Stock den Diener, der Jors Glas umgestoßen. Dann bat er Jor nicht mehr zu spielen.
Jor spuckte das Stück Apfel, das er im Munde trug, in die hohle Hand, warf es dem Vater ins Ge-sicht. Han wusch den Alten.
Abends verlangte Jor sein Erbe in Gold. Han schickte Boten. Und Händler kamen. Er verkaufte Wälder und fischreiche Seen und Felder und Vieh, und am dritten Tag wies er Jor einen Wagen, der mit Gold beladen war.
Jor ergriff die Zügel und der Kot der spritzenden Räder überschüttete die Mutter, die an der Tür lehnte. Han stützte sie. Sie küßte ihn nicht und ging zum Vater und die beiden hatten trockene Augen.
Han fuhr jeden Morgen aufs Feld, zankte mit den Aufsehern, ließ die säumigen Arbeiter prügeln, feilschte mit den Händlern. Mittags schälte er sich selbst den Apfel. Die Eltern hatten trockene Augen.
Diener standen zu beiden Seiten der Treppe. Jor trat aus dem Haus. Das Gewühl der Straßen nahm ihn auf. Er ging lange durch die hallenden. In einem Speisehaus aß er gebratene Tauben. Abends ging er früh heim. Er schritt durch seine vielen Zimmer, war in jedem einsam und freute sich seiner Einsam-keit.
Ein ungeheurer roter Himmel war am Morgen. Die Straßen waren noch leer. Er lief bis in den Mit-tag. Er fütterte die herrenlosen Hunde. Ein Vorläu-fer schrie mit hoher Stimme, schlug mit einem lan-gen Stab freien Weg, und die goldene Sänfte schwankte vorbei. Jor sah unter einer niedrigen Stirn große Augen. Die schwarzen Brauen runzel-ten sich, ein kleines Lächeln setzte sich in den Mundwinkeln fest. Jor stieß dem Hund die Fuß-spitzen in die Rippen. Die Sänfte segelte golden da-von. Dem Armenier rann der rote Wein in einer dünnen Schnur ins Kleid. Er schrie, wollte eine Re-de halten, aber seine Zunge ruderte ungelenk an die Zähne. Jor hatte den Kopf auf die Arme gelegt. Es war purpurn vor seinen Augen. Er stand schwan-kend auf, ließ die Lichter im Saal löschen, und ging in sein Schlafgemach.
Das Mädchen zitterte, fror. Jor wollte seinen Mantel über die Nackte werfen. Aber der Maler schrie wild, verbot es, schien das Mädchen schlagen zu wollen, vergaß es aber wieder, als er ein süßes Rosa auftrug. Er sang leise vor sich hin. Plötzlich lachte er, zwickte das Mädchen in den Hintern, schrie es an, warf den Pinsel weg und brüllte unmä-ßig, als es in den Nebenraum floh.
Jor ließ alle Zimmer sich mit Bildern schmücken. Jedes kostete einen Beutel Gold. Der Maler war ihm widerwärtig, weil er ein schmutziger und ge-wöhnlicher Mensch war, aber sein Pinsel war von Gott besessen.
Später lernte er Cahel kennen und seine Frau. Die großen Augen unter der niederen Stirn sahen ihn kühl an. Das Lächeln in den Mundwinkeln blieb. Er war viel bei Cahel. Sie ritten zusammen auf die Jagd und betranken sich zusammen.
Einmal, als er kam, und Cahel schon ausgeritten war, schrie er Oezül an, das Lächeln kränke ihn. Sie spannte die Schultern zurück, daß ihre Brust sich vorschob. Er stürzte hinunter, schlug das Pferd und ritt vor die Stadt.
Cahel starb an Gift. Er aß reichlich zu Mittag. Sein Gesicht wurde plötzlich rot. Dann griff er mit den Händen an den Hals und fiel tot um. Als Jor kam, wuschen die Diener die Leiche unter Oezüls Aufsicht.
Jor lebte vier Wochen mit Oezül, dann war er ih-rer überdrüssig. Als er einen jungen Schauspieler bei ihr traf, nahm er das Lächeln aus Oezüls Gesicht in seines herüber und ging.
Er blieb viele Wochen allein in seinem großen und schönen Haus. Er redete mit den Gestalten, die rosig und blau und golden um ihn lebten. Er lag auf Kissen, Diener stellten Krüge voll Wein um ihn. Er ließ Vorhänge vor das Licht ziehen und schlief Tag und Nacht.
Das Gold hatte er in vielen Beuteln in einem kleinen Gemach aufgeschichtet. Er zählte die Beutel nie. Er wußte, daß die Diener ihm den Schlüssel unter dem Schlafkissen wegstahlen. Ihn kümmerte es nicht und das Gold schien nicht abzunehmen.
Im Garten ließ er sich ein Lusthaus bauen. Er feilschte mit Mädchenhändlern. Tagelang wimmelte es bei ihm von Frauen, deren Brust er befühlte, ob sie hart sei, die vor ihm auf und ab gingen, ob ihr Gang ihm gefalle, die vor ihm sich drehten und vor ihm tanzten, ob es ihm Lust gebe. Die Händler priesen kreischend ihre Ware. Er kaufte fünfzehn Frauen. Die jüngste war zwölf, die älteste hatte graue Haare, aber ihre Schenkel waren noch fest. Sie durften sein Frauenhaus nicht verlassen.
Dann ekelte ihn des vielen Fleisches. Er schenkte die Frauen seinen Freunden und die älteste verheiratete er mit einem seiner Diener.
Das Gold in der Kammer wurde weniger. Aus dem Berg war ein Hügel geworden. Da lächelte er wie schon lange nicht mehr und ritt wieder aus, was er seit Wochen nicht mehr getan hatte. Seine Beine waren ein wenig schlapp geworden. Aber als ihm der Wind ins Gesicht pfiff und hinter ihm die nas-sen Klumpen kollerten, wölbte er die Brust breit heraus.
Er begann wieder zu spielen. Aber er mußte die ganze Nacht würfeln, bis er einen Beutel Gold verspielt hatte.
Er lag in seinem Garten im Gras. Er ließ sich Decken heraus schaffen und verbrachte auch die Nächte im Freien. Unaufhörlich drehten sich die Sterne und die Morgenwinde wuschen ihn mit Kühle.
Er ließ einen Baumeister und Maurer kommen und sich im Garten einen hohen Turm bauen. Wo-chenlang bewohnte er nur das Turmzimmer. Er schoß die Vögel, die um das Dach kreisten. Dann plötzlich trug ihn der Turm nicht mehr. Er betrat ihn nicht wieder.
Er sammelte viele Freunde um sich. Sie zogen berauscht und in Masken durch die Straßen. Sie erhellten die Nächte mit ihren Windlichtern. Ihr Geschrei verstummte nicht bis zum Morgen. Sie hielten Wagenrennen, hatten Esel vorgespannt, denen sie mit Wein getränktes Brot zu fressen gaben.
In den Fenstern lagen die Leute und jauchzten mit ihnen. Als Jor auf seinem krummen Gefährt vorbeitaumelte, verstärkte sich das Geschrei und er fühlte schmerzhaft, daß er geliebt war. Er schlug auf die Tiere ein, machte unanständige Gebärden gegen die Zuschauer, aber der Jubel wurde nur größer.
Er prügelte seine Diener. Einem zerschlug er mit einer schweren Vase die Schulter. Sie waren ihm hündisch ergeben. Immer wieder rann in ihre Hände sein Gold. Er stellte einen Beutel auf den Tisch, rief seinen grauhaarigen Haushofmeister, stieß ihm den Fuß in den Bauch, ins Gesicht und wies auf das Gold, als er winselte. Der Kerl nahms und blieb in seinen Diensten. Wie sie zusammenstanden hörte er, daß sie gutes von ihm sprachen. Er lachte und dachte: des Goldes wegen.
Eine Tänzerin jagte Fieber in sein Blut. Er schenkte ihr einen jungen, gezähmten Leoparden. Er ließ sieben Gemächer für sie säubern, mit kostbaren Stoffen bespannen und stellte sieben braune Dienerinnen für sie ein. Sie kam nicht.
Er sandte ihr Pfaue, die goldene Räder schlugen und Papageien mit silberblauen Federn. Sie gab die Pfaue und die Papageien dem Leoparden zu fressen und schickte ihm die blutigen Federn zurück.
Er bezahlte dreihundert Männer, damit sie, als sie tanzte, Beifall brüllten und mit den Händen auf die Schenkel schlugen, daß es klatschte und immer-fort ihren Namen riefen. Er stand auf einem erhöh-ten Platz und leitete mit einem Stab das Anschwel-len der Zurufe. Sie beachtete ihn nicht.
Er bezahlte dreihundert Männer, daß sie, als sie tanzte, pfiffen, auf Trompeten bliesen und mit stin-kendem Obst nach ihr warfen. Er stand auf einem erhöhten Platz und befeuerte mit einem Stab den Lärm. Sie sah ihn nicht.
Er vergaß sie. Er verhöhnte einen Philosophen, zog ihn an seinem langen Bart über den Marktplatz. Er weigerte sich, die hohe Strafe zu zahlen, versperrte sein Haus vor den Gerichtsdienern und ließ sich belagern. Am dritten Tag ergab er sich, bewirtete die Schergen mit Wein, schickte sie betrunken nach Hause und ließ den taumelnden Anführer das Gold auf einem kleinen Wägelchen durch die Straßen rumpeln.
Er gab einem Diener in jede Hand einen Beutel Gold, einen Brief zwischen die Zähne und sandte ihn zur Tänzerin. Der Bursche kam ohne das Gold zurück und abends kam sie.
Er trieb alle aus dem Haus diese Nacht. Und durch die sieben seidenen Gemächer jagte er seine Lust.
Am Morgen bereitete er ihr ein Bad, schürte selber das Feuer und brachte ihr Brot und Wein.
Erst am Mittag öffnete er seinen Leuten wieder die Tür. Sie beide verließen das Haus wochenlang nicht mehr. Sie tanzte vor ihm und jeden Abend schenkte er ihr eine Hand voll Gold.
Er sah haßerfüllt in die Kammer, wo das Gelbe nur langsam zusammenschmolz.
Als sie wieder einmal vor ihm tanzte, nackt, schrie er die Diener herbei, daß sie zusähen. Dann bewarf er die Tanzende mit Goldstücken, befahl ihr aufzuhören und prügelte die Burschen mit Faust-schlägen auseinander.
Die Demut, auf die er überall traf, reizte ihn unsäglich. Er war der beliebteste Mann der Stadt. Die Straßensänger stimmten lange Balladen an zu sei-nem Preis. Die Marktweiber wurden fröhlich, wenn er zwischen ihren Körben hindurchging. Der Philo-soph, den er am Barte gezerrt, suchte ihn auf, ihm zu verzeihen. Er schenkte ihm ein Goldstück. Er nahm es nicht an, küßte ihn. Tief betroffen war Jor und erblaßte.
Es war, als wandle er immer eine Stufe höher als die Menschen um ihn. Die Stufe war aus Gold. Er mußte die Stufe zertrümmern, abtragen. Er mußte seine reichen Kleider ablegen. Sie taten, als sei seine Haut weißer und sein Haar lockiger als das ihre. Er mußte sich von der Sonne bräunen lassen und das Haar von Schweiß verkleben. Er war schlechter als sie und sie taten, als sei er besser. Er war zornig und sie begegneten seinem Zorn mit Güte. Er schlug sie und sie trugen die Schläge. Das Gold hatte ihn eine Stufe höher gestellt als sie. Sie sahen ihn nicht, wie er war und er mußte die Stufe abtragen.
Er gab lärmende Feste, fütterte seine Gäste mit gebratenen Singvögeln und gab ihnen Wein zu trinken von Trauben, die auf feuerspeienden Bergen wuchsen. Er berief kastrierte Sänger, die Mädchen-stimmen hatten und Sängerinnen, deren Stimmen im schweren Baß tönten.
Er ließ Pferde, die er nur einmal geritten, zu-sammenstechen. Er ritt keins ein zweitesmal.
Er kaufte alle Huren der Stadt frei, daß die öf-fentlichen Häuser leer standen und die Mädchen auf den Plätzen herumlungerten.
In der Kammer schmolz das Gold. Die Tänzerin, die noch immer bei ihm lebte, bat ihn, der Ver-schwendung Einhalt zu tun.
Als nur mehr zwei Beutel in der Kammer lagen, trat sie an einem Morgen an sein Lager. Er solle die Dienerschaft entlassen, das Haus verkaufen, mit dem Erlös könne er bis an den Rest seines Lebens im Wohlstand leben.
Er gab einen Beutel einem Wasserverkäufer für einen Trunk. Den letzten Beutel schenkte er der Tänzerin.
Er wartete, daß sie gehe. Er lachte und zeigte ihr vergnügt die leere Kammer. Er sagte ihr und beteu-erte es, und eine große Lust schrie dabei in seiner Stimme, daß er nichts, nichts, nichts mehr besitze.
Unter seinen Kleidern wählte der die festesten, unter seinen Stiefeln die derbsten, und ging langsam die Treppen hinunter aus dem Haus.
Als er sich vor der Stadt auf die Landstraße stell-te und die Richtung nahm auf einen fernen Berg, trat die Tänzerin neben ihn und ging mit ihm.
Der Staub wirbelte grau um sie. Er trat fest auf mit den Stiefeln und ging bis zum Abend. Sie ver-krochen sich hinter einem Gebüsch bis zum Mor-gentau. Mittags kamen sie in eine kleine Stadt. Er verdingte sich als Arbeiter für einen Bau. Sie wohn-ten in einer geringen Herberge. Als es abends zum Ziegenkäse ein Glas Wein gab, faßte er Argwohn. Als sie schlief, entdeckte er Gold bei ihr. Er stand leise auf, verließ das Zimmer und das Haus und wanderte die ganze Nacht und den ganzen Tag, bis er die Hafenstadt erreichte.
Er schlief in einem Tal zwischen zwei Ballen. Ein herrenloser Hund wärmte seine Füße. Aufseher verjagten ihn am Morgen. Die vielen Schiffe scheu-erten sich an den Kaimauern. Segel wölbten sich weiß und herausfordernd. Die hohen Stangen der Maste vergitterten den Himmel. Den ganzen Nach-mittag ließ er sich von der Sonne braten. Die Schreie der Arbeiter schossen über ihm hin und her. Am Abend suchte er seinen Schlupfwinkel wieder auf.
Der Hunger trieb ihn am andern Morgen, Arbeit zu nehmen. Ein Schiff verlud Mehl. Er ließ sich Handgeld geben und schleppte die weißstaubigen Säcke. Seine Schulterblätter knirschten. Der Hals wurde steif. In einer Schenke aß er eine braune Zwiebelsuppe und schlief mit anderen in einem ungedeckten Lagerraum.
Der Mond trieb groß über den Himmel. Neben ihm wälzte sich ein Liebespaar. Er fiel in einen traumlosen Schlaf
Fünf Tage schleppte er die Säcke und schlief die Nächte auf dem lehmigen Boden. Am sechsten Tag ging er.
In einer Schenke traf er auf Matrosen, die von langer Seereise zurück waren, Sie erzählten von Pal-men, wilden Tieren und Menschenfressern. Sie hat-ten das Geld locker in der Tasche sitzen und hielten ihn frei. Er aß sich satt an Braten, trank roten Wein und hörte ihre Geschichten. Sie ließen sich bald wieder anwerben.
Er streunte im Hafen umher. Er verdingte sich bald hier, bald dort einen halben Tag oder einen ganzen. Mit einem angetrunkenen Seefahrer bekam er Streit. Der Schwarzbärtige riß das Messer aus dem Stiefelschaft. Jor sah, wie er den Schwung bremste, als ihre Augen sich trafen. Wie er die Lider erschrocken fallen ließ! Wie er das Messer unmerk-lich senkte! Aber Jor warf sich auf ihn, in das Mes-ser, stürzte, spürte Blut im Hals und schlief ein. Im Hospital pflegte man ihn. Er sah auf seine dünnen Hände. Seine Fingernägel waren bleich. Als er schwankend einmal um die Stube gehen konnte, brannte er durch.
Er kehrte zum Hafen zurück. Die kalten Nächte brachten neues Fieber. Er fand Stellung als Schrei-ber bei einem Kaufherrn. Er zählte Ballen und Stämme und schlief unter einem warmen Dach.
Er ging wieder auf Wanderschaft, zog nachts durch die Dörfer, reizte die Bauernhunde und schlief in dichten Wäldern.
Später schloß er sich einer Gauklertruppe an. Es waren braune Menschen mit wilden Gesichtern und blitzenden Zähnen. Der Führer fraß glühende Koh-len und setzte sich Messer in die Schenkel ohne zu bluten. Die Mädchen sprangen durch Reifen. Er lernte auf dem Seil zu tanzen, Töpfe zu balancieren. Nachts schliefen sie alle in einem Zelt. Er fand im Wechsel die beiden Mädchen neben sich. Er entdeckte, daß sie auch mit ihrem Vater schliefen. Er zog lange Wochen mit ihnen.
Er streifte allein durch das Land. Er bettelte. Ei-ne Witwe gab ihm ein ungewöhnlich großes Almo-sen und bot ihm Arbeit in ihrem Töpfergeschäft. Er hatte nur einmal am Tag durch die Werkstatt zu gehen. Der Tisch war reichlich gedeckt. Sie kaufte ihm gute Kleider. Er hatte einen Widerwillen gegen ihren großen Busen und zog wieder landstreichend über die Straßen.
In einer Schenke stieß er um Mitternacht auf ei-nen bartlosen, aufgeregten Menschen, der auf dem Tisch stehend Verse schrie. Mit den wandernden Komödianten reiste er. Er lernte es, den Mantel kö-niglich um sich zu schlagen und das Gesicht in Längs – und Querfalten zu ziehen. Er schrieb selber das Szenarium zu einer Tragödie, deren Text sie aus dem Stegreif sprachen. Die Gesellschaft zerstreute sich und er zog mit Emra allein weiter. Sie sangen in den Straßen und Emra sammelte Geldstücke in seinem Hut.
Die goldene Stufe ist zerschlagen, triumphierte er. Niemand mehr duckte sich demütig, wenn er Schläge austeilte. Wen er schlug, der schlug zurück. – Der Schwarzbärtige, dachte er. Der Messerstich. Und zwang sich, nicht zu sehen, wie der Kerl den Schwung bremste und die Spitze senkte. – Alle wa-ren ihm früher untertan gewesen und sein Stolz hatte darunter gelitten. Noch duckten sich zu viele vor ihm.
Seine Wunde brach wieder auf. Er spuckte Blut. In einer kleinen Herberge blieb er, und Ernra ver-diente das Geld. Sie lief auf die Straße, ging mit fremden Männern, mit alten und jungen.
Sie tats um seinetwillen. Das trieb ihn von ihr. Als er sich ein wenig wohler fühlte, begann er von neuem sein Wanderleben. Der Himmel war über ihm, Bäume gab es überall und Straßen liefen kreuz und quer. Er stahl den Bauern Hühner, briet sie im Wald, bettelte und sang in den Straßenschenken vor Landstreichern und Huren.
Er wurde froh, wenn ihn die niedrigsten wie ih-resgleichen behandelten. Er sprach in Zoten mit ih-nen, betrog sie im Spiel. Aber immer wieder stieß er auf eine demütige Liebe, die er floh wie des Teufels Faust.
Er wußte nicht, was ihn trieb. Immer tiefer sich sinken lassend, mußte er dahin kommen, daß er wie eine Welle im gleichen Fluß mit den andern floß. Denn es drängte ihn, über niemand hinaus zu ragen.
Auf der Wanderschaft geriet er in lange Regen-wochen. Seine Füße wurden nicht mehr trocken. Er begann zu husten.
Bei einem Bauern blieb er als Schweinehirt. Es waren sechzig Säue, die er zu hüten hatte. Es waren schwarze, borstige darunter, mit gierigen Rüsseln, und helle, rote, die gutmütig waren. Er schlief in ei-ner niederen Hütte, durch die der Regen träufelte und der Wind blies. Sein Lager war faules Stroh. Die Hütte stand an einem Waldrand, der versumpft war. Die Säue wälzten sich im schwarzen Morast, dem wenige gelbe Blumen blühten.
Der Bauer war ein gewalttätiger und roher Mensch. Wenn er kam, ihm die paar Wecken ver-schimmelten Brotes zu bringen, schimpfte er über das wenige, das er dem hergelaufenen Landstreicher geben mußte.
Am Tag lag Jor vor der Hütte inmitten der Säue. Die ackerten grunzend den Boden auf, schliefen und begatteten sich.
Jor spuckte wieder Blut. Er lag im Fieber und die Säue beschmutzten ihn mit ihrem Kot. Er hatte Hunger und er aß von dem stinkenden Mantsch, den täglich ein Knecht für die Tiere vom Hof herü-berbrachte. Er schöpfte sich einen Hut voll von der Brühe und hielt sich die Nase zu und trank. Der Bauer sah es, stieß ihn mit dem Fuß. Aber er ließ ihm eine Schüssel Milchreis geben und weißes Brot. Jor aß und die borstigste der schwarzen Säue fuhr mit dem Rüssel naß und gütig über sein Gesicht.
Jor wollte die tiefste Demütigung auf sich neh-men: dienen in dem Haus, in dem er geherrscht. Zerlumpt und als Sauhirt zurückkehren zu ihnen, denen er ins Gesicht gespuckt. Und er hoffte in-brünstig, daß sie gleiches mit gleichem vergelten und ihn schlagen und anspucken würden und ihn verachten, wie er sie angespuckt und verachtet hat-te.
Nach fünf Tagemärschen, als ihm schon Eiter zwischen den Zehen stand, sah er die Gärten seines Vaters vor sich liegen. Es war gegen Mittag und er schritt langsam auf den bekiesten Wegen. Knechte und Mägde kamen von den Feldern zum Mittag-brot. Han fuhr im staubwirbelnden Wagen an ihm vorbei. Im kühlen Hausflur legte er sich mit dem Gesicht zu Boden. Er spürte einen Fuß im Nacken und hörte die Stimme seines Vaters. Er richtete sich auf, sah ihm in die Augen und bat ihn: laß mich deine Schweine hüten!
Eine große Erwartung zitterte in ihm. Er beugte den Rücken, um die Flüche zu tragen, die der alte Mann auf ihn laden mußte. Er hielt die Hand vor das Gesicht, um den Speichel aufzufangen, den ihm der alte Mann ins Gesicht werfen mußte. Und bat: laß mich deine Schweine hüten!
Der Greis stand groß an der Wand und tat einen Schritt gegen ihn und hob die Hand und streichelte sein verklebtes Haar. Er sprach nicht und streichel-te ihm Gesicht und Bart und Hände und Brust und sprach nicht und ließ die Hände nicht mehr von ihm.
Aus der Tür trat die alte Frau, seine Mutter. Die beiden Alten führten ihn in den Speisesaal. Sie rie-fen die Diener zusammen und ließen ihm ein Bad bereiten und reine Kleider holen.
Gewaschen und gesalbt saß er zwischen den bei-den Alten. Die Mutter schälte ihm einen Apfel und dann ging er früh schlafen.
Die Doggen prasselten mit den Pranken an die Gitterstäbe. Er saß im Garten und fütterte die Tauben.
Beim Mittagessen sah er Han. Der Bruder gab ihm die Hand. Die Mutter aß nichts und zitterte vor Glück, als er den Apfel nahm, den sie für ihn geschält hatte.
Der Vater besprach die Bewässerung einer trok-kenen Wiese. Han legte seinen Plan dar. Jor nahm ein Stück Kohle und zeichnete Gräben und Rinnen. Der Vater gab den Auftrag, und er prüfte nicht lan-ge zwischen den Plänen beider, und ließ den Jors ausführen.
Jor ritt auf die Felder und die Knechte gruben schneller mit der Hacke, ihm zu gefallen.
Die Händler verlangten mit ihm den Kauf abzu-schließen. Sie einigten sich schnell mit ihm und oh-ne viel zu feilschen.
Wenn aber Han‘s Wagen über die Felder rollte, stützten sich die Knechte faul auf die Stiele ihrer Hacken.
Jor versuchte nicht mehr gegen das Göttliche in ihm sich zu stemmen. Die Menschen waren gut zu ihm und mußten ihn lieben. Eines Nachts erwachte er und sah Han neben sich am Bett stehen mit erhobenem Messer. Jor rührte sich nicht und blinzelte durch die geschlossenen Lider. Es trug ihn und er schwoll der Prüfung entgegen. Aber Han ließ das Messer sinken und erkannte ihn über sich an wie alle.


 
 
 
 
 
 
 

Anhang S.627

S.93 Totentanz

Zuerst erschienen in: Die Aktion, 9, 1919, Sp.783f. [29. November].
Nach dem Zweiten Weltkrieg befaßte sich B. erneut mit der Erzählung und suchte nach einem »stilleren Titel« (an Wetzlar, 8.12.1945; vgl. ebd. 15.4. t 946).
Das Zitat der beiden Anfangszeilen des alten Soldatenliedes »Kein schönrer Tod ist in der Welt ... als wer vorm Feind erschlagen« vollständig in B.s Erzählung Der bekränzte Weiher (vgl. Komm. zu Bd.I1I,2).
 

S.95 Jor auf der Flucht

B. schließt an die mit Rilkes Roman Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge (1910) erreichte Stufe der Stoffgeschichte an und übersetzt die Thematik der dort erzählten Parabel vom »verlorenen Sohn« als einem, „der nicht geliebt werden wollte“, in die grelle Motivsprache des exotistischen Expressionismus eines Kasimir Edschmid.
In seiner Serie Die junge Generation hebt Heinz Küpper in dem B. gewidmeten Artikel diese als einzige der frühen Erzählungen hervor:
Das Schicksal hat bei Britting etwas wie Hohn an sich, und gar manches Mal gewinnt man den Eindruck, als sei das Schicksal eine unerhört kaltsinnige und grausame Groteske. Wenn man [...] liest, wie jor alles daransetzt, um endlich keine demütige Liebe mehr zu finden und um endlich einem Menschen zu begegnen, der ihm überlegen wäre, so empfindet man Jors Einsicht, daß doch alles vergeblich und daß es sinnlos sei, »gegen das Göttliche in ihm sich zu stemmen«, sowohl als die tiefste Bestätigung unverletzlicher und unveränderbarer menschlicher Persönlichkeit wie auch zugleich als ein hohnvoll gellendes Lachen des Schicksals.
(Kölnische Zeitung, 5.7.1936)