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© Georg-Britting-Stiftung

Georg Britting
Sämtliche Werke  - Prosa -
Herausgegeben von Wilhelm Haefs

Band 3-2  Seite 222
Kommentar Seite 486

Aus: »Der bekränzte Weiher«


Donaufischer und Mädchenhändler

Der Schnurrbart, ein Räuberschnurrbart, ein Seeräuberschnurrbart, hing ihm fahlblond und ein wenig nur angegraut über die Lippen. Seeräuberschnurrbart! sagte ich kühn vor mich hin, vielleicht hörte er es und fragte, aber er hörte es nicht, oder wenn er es hörte, er fragte nicht, sah nur unverwandt das Schachbrett an. Über uns rauschte es in den Nußbäumen, wie Atem holend, tief, Blätterschatten wogte über die Tischdecke, grünes Licht erfüllte den Garten. Jetzt ergriff der Einarmige ein Pferd und zog. Er hätte am liebsten nur Züge mit den Pferden gemacht. Das Pferd, Cavallo nannte er es, war seine Lieblingsfigur, und wenn ich Springer sagte, weil es in meinem Schachlehrbuch so hieß, so sah man ihm seine Unzufriedenheit über diesen Ausdruck an. Er zog also das Pferd nach kurzem, scharfen Nachdenken, wobei er die Augenbrauen zusammenschob, und setzte es hart klappernd auf ein neues Feld, und wieder stellte ich mit bestürzter Hochachtung fest, daß an dem einen Arm, den er nur mehr hatte, eine Hand saß mit drei Fingern bloß. Der kleine Finger und der Goldfinger fehlten, so daß die Hand ganz merkwürdig schmal aussah. Wie er zu dieser Verstümmelung gekommen war, damals, vor dem Weltkrieg, war so etwas selten; habe ich nie erfahren und zu fragen traute ich mich nicht.
 Herr Berger, so hieß der einarmige Glatzkopf, mehr wußte ich von ihm nicht. Jetzt, in den großen Sommerferien, spielte ich manchen Nachmittag Schach mit ihm. Uns Sechzehnjährigen war nach dem Gesetz der Schule der Besuch von Wirtshäusern unter Androhung strenger Strafe verboten: nur bei Wanderungen aufs Land hinaus durfte man, das war uns ausdrücklich gesagt worden, sich zu stärken und zu erfrischen, ein Gasthaus betreten. So ging ich damals zwei- und dreimal wöchentlich in ein nahes Dorf, drei Viertelstunden Wegs, trank eine Tasse Kaffee, oder bestellte auch Zitronenwasser, das in einem hohen Glas gebracht wurde, und ein langer Löffel steckte darin und ein Strohhalm, und spielte mit Herrn Berger Schach. Das hatte sich zufällig so gegeben: er hatte mich allein vor dem Brett sitzend gesehen, Schachaufgaben lösend, was ich mit Leidenschaft tat, und er war an meinen Tisch getreten, mit einer höflichen Verbeugung seinen Namen nennend, und hatte gefragt, ob ich ihn nicht zum Gegner nehmen wolle. Mit Befangenheit hatte ich eingewilligt und hatte das Brett an seinen Tisch getragen, und der Zweikampf hub an, der erste, den wir ausfochten, und es sollten ihm noch viele folgen. Entgegen aller Regel und aller Weisung der Schachlehre begann der Einarm jeden Kampf mit einem Springerzug, nannte das: zuerst die Reiterei vorschicken! Auch bei unserem ersten Treffen machte er es so. Nun, sagte ich mir, stolz auf meine Buchweisheit, das wird er sich abgewöhnen, den Schaden wird er besehen - aber er gewann, gewann dieses erste Spiel und gewann später noch viele, trotz dieser ganz und gar verfehlten Eröffnung.
 Es schien mir gut zu ihm zu passen, wie er den Gaul hin und her hetzte auf dem Brett, und den zweiten dahinterherjagte, und drohend aufgebäumt standen sie vor mir, daß ich ins Gedränge kam mit Läufer und Turm und mich kaum zu erwehren vermochte, sie entsprachen seiner wilden Art, dachte ich bewundernd, diese tollen Reiterkunststücke gehörten zu ihm, dem Einarmigen mit dem Seeräuberschnurrbart. Wir sprachen an diesen Nachmittagen nicht viel miteinander, ins Spiel vertieft. Er hatte ein mageres Gesicht mit vorspringenden Backenknochen, seine Augen waren ein wenig schräggestellt, seine Glatze glänzte, und eine rauhe, männliche Stimme kam hinter dem Schnurrbart hervor. Er war dunkelgekleidet fast immer, war wohl klug und hatte vieles gesehen und erlebt und hatte eine abgebrühte Weise, über das Tun und Treiben dieser Welt bissige und überlegene Bemerkungen zu machen. Er sollte früher einmal Fischer gewesen sein, unter anderem auch das, Donaufischer, das hatte ich herausbekommen, ich mochte es nicht recht glauben - ein ehrliches Gewerbe, aber er schien mir zu fein, zu herrenhaft dafür! Und wenn es doch so war: wer weiß, wie ihn das Leben, sein buntes, feuriges Leben dazu geführt hatte?
 In dem halb städtischen Dorfgasthaus kannte man ihn gut, meinen Herrn Berger, er machte manche Zeche dort. Ich hörte den Wirt mit seiner Frau über ihn sprechen, zufällig, sie saßen am Nebentisch, die beiden, und schwatzten, in anerkennendem Ton übrigens, über diesen Teufelsburschen, und da schnappte ich auf, ich lauschte angespannt, daß der Einarm nicht immer bloß Fischer gewesen sei, sondern - wie schoß mir das Blut zu Kopf, wie zitterten mir Hände und Knie! - sondern auch Mädchenhandel getrieben habe. Wahrhaftig, sie gebrauchten das entsetzliche und süßen Schauder einflößende Wort: Mädchenhandel, und lachten dazu, und aus den abgerissenen Gesprächsteilen, die zu mir drangen, reimte ich mir zusammen, daß er mit diesem lasterhaften Gewerbe seinen Lebensunterhalt verdient habe, vielleicht sogar noch verdiente! Wie war mir zumut! Was ist für einen Sechzehnjährigen, nach Abenteuern gierig, ein Mädchenhändler? Ein Kerl, kühn und verschlagen, mit allen Wassern gewaschen, mit allen Hunden gehetzt, in allen Sätteln gerecht, unwiderstehlich und grausam und tückisch, funkelnd in bösem Glanz, halb ein Scheusal und halb ein Held!
 Also gut, der war ihm zuzutrauen, dieser Beruf, dem Herrn Berger, bei seinem seeräuberhaften Aussehen. Vielleicht, dachte ich mir, fährt er von Zeit zu Zeit mit einem Schiff donauabwärts, an wallenden Strudeln vorbei, auf Felsen stehen die Burgen, in Deutschland und Österreich, und er fährt weiter nach Rumänien, oder so wohin, und das bewimpelte Schiff ist voll von Mädchen, buntgekleideten Mädchen, singenden Mädchen, weinenden Mädchen, tanzenden Mädchen, Mädchen, die Wein und Schnaps trinken und bitter lachen. Manchmal sah ich im Geist auch, daß die Mädchenladung, die er verfrachtete, nackt war, splitternackt und weiß, und sah verlegen weg, und schämte mich, und stellte mir die taumelnde Schar lieber wieder bekleidet vor, in seidenraschelnde Tücher gehüllt, mit roten Bändern im üppigen schwarzen Haar - alle waren sie schwarzhaarig - und gellend und bitter und lüstern lachend.
 Unruhige Gedanken hatte ich. Ich mied Herrn Berger nicht, im Gegenteil, es schreckte mich nicht ab, was ich von ihm wußte. Und vielleicht hatte ich mich doch verhört, oder es war gar nicht wahr, was man von ihm sprach, sicher war es erlogen, was sagen die Leute nicht alles, aber wie es damit auch bestellt sein mochte, es zog mich an, das Fremde, Böse, das um ihn war, geheimnisvoll lockend. Sklavenhändler, Mädchenhändler, Ketten und Armspangen klirrten, tief drunten im Balkan kam die Donau doch auch in türkisches Gebiet, Halbmond und Harem und Morgenland und Paschas mit sieben Roßschweifen, das wirbelte durcheinander, Mädchenfleisch und Beutegeld! Und statt Springer sagte er Cavallo: das war mir noch nicht begegnet, das war ein Mann!
 Jeden Freitag, an dem Fleisch zu essen verboten ist, und damals nahm man es strenger damit als heute, hielt man in unserer guten, frommen Stadt Fischmarkt ab. Auf dem Platz, wo der Markt stattfand, in der Nähe der alten Brücke, unweit floß die Donau, die nicht zu sehen war, aber ihre Kühle herschickte, auf dem brunnenüberragten Platz waren in den Boden eingelassen sargähnliche Steine, gewaltige Steinbänke, auf denen standen die Bottiche der Fischhändler, und in den Bottichen schwänzelten und schlugen und schnappten sie: blitzende Weißfische, schwärzliche Barben mit dicken Köpfen, goldgrüne Bürstlinge mit gesträubter, stachliger Rückenflosse, breitgedrückte Brachsen, langnasige Hechte und dumme, dicke Glotzkarpfen. Da drängten sich die Hausfrauen und Dienstmädchen, mit Taschen und Netzen, und schoben sich und wanderten von Steinbank zu Steinbank, und besahen, was es gab, und nörgelten, mit kennerischen Mienen, und fanden den einen Fisch zu klein und den andern zu grätig, und zufrieden waren sie nie. Es wurde nicht nach Gewicht gekauft, die Fische wurden nach der Größe abgeschätzt, und wenn man sich nach langem Feilschen auf einen Preis endlich geeinigt hatte, fuhr der Verkäufer ins Nasse, packte den armen Geschuppten und schlug ihm den Kopf krachend gegen den Rand des Bottichs. Abschlagen hießen sie sachlich diesen Mord, der hundertfach an einem solchen Morgen begangen wurde, und wie Hammerschläge dröhnte es immer wieder auf, herzlos schallender Ton, und stumm starben die Fische, wie sie stumm gelebt hatten.
 Während der Schulzeit mußte ich um diese Morgenstunden sonst vor der schwarzen Tafel sitzen, unwillig genug, aber jetzt waren ja Ferien, nicht mehr lange, leider, nur mehr zehn Tage bloß, und da war ich wieder einmal auf den Fischmarkt geraten. Ich hatte mich ins Gedränge gemischt - wie roch es heftig und wunderbar nach feuchtem Zeug und Schuppen und Fischeingeweiden! - und ließ mich treiben im Strom der Käufer, neugierig lauschend dem Hin und Her, das jedem Erwerb voranging, da erkannte ich meinen Herrn Berger hinter einem der Bottiche, in Hemd und ohne Kragen, Fische feilhaltend. Es war in der Nähe des Brunnens, der Wasser aus vier fletschenden Drachenmäulern rinnen ließ, hinter dem verbarg ich mich und beobachtete den Einarm.
 Er hatte also immer noch mit Fischen zu tun, der Räuberbärtige, mit dem ich erst gestern nachmittag noch Schach gespielt hatte. Ich wollte mich ihm nicht zeigen, ich nahm an, es wäre ihm peinlich gewesen, mich als Zuschauer zu wissen, wie er hier stand und Fische totschlug und verkaufte. Ich lehnte mich an den Brunnen und lauerte, und preßte die Hand vor das Drachenmaul neben mir, dem Strömenden zu wehren, bis der Druck so stark wurde, daß ich nachgeben mußte und ein wilder Schwall herausfuhr, und dann rann das Wasser wieder gleichmäßig still, und den Glatzkopf ließ ich nicht aus den Augen. Er hatte nicht viele Kunden, eben jetzt war es ganz leer vor seinem Verkaufsstand und das verdroß ihn wohl, denn er machte ein unwirsches Gesicht und schlug ein paarmal mit der Hand in den Bottich, ärgerlich, daß es weiß aufspritzte. Nun trat eine Frau an ihn heran, ich sah nur ihren Rücken, aber ich erkannte sie doch gleich an den breiten Schultern, es war Anna, unser Dienstmädchen, und sie besah die Ware des Einarms, zweifelnd, und der zog aus dem zappelnden Volk einen Fisch hoch und in die grausame Luft, und das Wasser tropfte von ihm ab. Anna schüttelte bedauernd den Kopf, der Fisch gefiel ihr nicht, der sei ja schon halb tot; ihre helle Stimme klang deutlich zu mir her, auf dem Rücken sei er schon geschwommen, der Kümmerling, nein, den wolle sie nicht, und sie drehte sich schon, zum nächsten Händler abzuschwenken. Wütend warf der Glatzkopf den Geschmähten wieder in den Bottich, und dann hörte ich den Mann, den ich nur als gesittet und gebildet kannte, nie hatte ich ein rohes Wort von ihm vernommen, hörte ihn, meinen ritterlichen Gegner am Brett, dem armen Wesen Dinge sagen, daß wir beide, ich und das Mädchen, tief erröteten. Sie habe wohl verklebte Augen, fragte er, und strich seinen Schnurrbart, daß sie es wage, diesen springlebendigen Fisch als nicht mehr ganz frisch zu bezeichnen? Er könne sich schon denken, woher das käme, und er lachte gemein. Vermutlich habe sie die ganze Nacht nicht geschlafen, weil sie nicht allein gewesen sei im Bett, und besseres zu tun gehabt habe, viel besseres, als süß zu schlummern, und er malte in abscheulich deutlichen Worten, schwelgerisch und ausschweifend, dieses Nachtabenteuer aus. Anna, die nicht wußte wie ihr geschah, hielt zuerst wie gelähmt still unter dem Regen von Spülicht, der auf sie herabtrommelte, und dann floh sie, schleunigst, und der Gräßliche schalt hinter ihr drein.
 Mittags gab es dann Barben bei uns, und als die Anna sie auftrug, wagte ich nicht sie anzusehen, die heute früh so niederträchtig beschimpft worden war, und beschäftigte mich angelegentlich mit dem Fisch, der blau und gekrümmt auf meinem Teller lag. Nur nach dem Essen schlüpfte ich einmal schnell in ihre Kammer, besah das hochgetürmte, rotgewürfelte Bett, in dem die vergangene Nacht so Erregendes sich abgespielt haben sollte: denn war es nicht vielleicht doch möglich, daß der Herr Berger, Fischer und Mädchenhändler, ein Kenner ja von Beruf, ein bewährter Fachmann, der Frauen einzuschätzen wußte wie keiner, daß er der Magd die schlimme Wahrheit von den Augen abgelesen und ihr in seinem Zorn diese Wahrheit in das unschuldig nur scheinende, heuchlerische Antlitz geschleudert hatte? Aber das Bett lag stumm und rotschreiend da, und über dem Kopfende hing ein buntes, frommes Bild.
 Ein paar Tage später, es war nun schon weit im September und immer drohender rückte das Ende der Ferien heran, ging ich wieder in das Schachdorf. Ich hatte den Gang hinausgezögert, ich war sogar entschlossen gewesen, den Einarm gänzlich zu meiden, aber ich hatte doch keine Ruhe gefunden, und unhöflich sei es, redete ich mir ein, den Schachfreund im Stich zu lassen, und eine unwiderstehliche Lust hatte mich gepackt, ihn wieder zu sehen, und so war ich nun unterwegs zu ihm. Es hatte geregnet in den letzten Tagen, das Wasser war schallend durch die Blätter gewirbelt in den Bäumen vor meinem Fenster, und der Regen hatte den Sommer fortgespült, denn als es wieder schön wurde dann und die Sonne schien, war die Luft mit einmal von herbstlicher Klarheit. Zu den Füßen der Kastanienbäume lagen, vom nächtlichen Wind abgeschüttelt, die kleinen, grünen, gestachelten Kugeln, die Felder glänzten abgeerntet, und hinter den Zäunen glühten grellfarbig und prahlerisch die Blumensterne.
 Als ich den Wirtsgarten betrat, sah ich gleich Herrn Berger sitzen, und neben ihm saß, in weißer Bluse, ein junges Mädchen, und die beiden sprachen angeregt miteinander. Das war noch nicht vorgekommen, er war sonst immer allein gewesen, ich traute mich nicht zu ihm, unter diesen Umständen, ich war zu schüchtern, ich wollte nicht stören, nein, und suchte nach einem Platz, an dem ich ihm verborgen sitzen konnte, aber da hatte er mich schon erspäht und winkte mir lustig auffordernd mit der Hand, da blieb mir nichts anderes übrig, ich ging zu ihm, verlegen grüßend. Seine Nichte sei das, stellte er mich dem Mädchen vor, das mir eine kleine, rosige Hand entgegenstreckte und mich anlächelte, und mit dem Schachspielen würde es heute nicht viel werden, meinte er, die junge Dame hier wolle unterhalten sein, und er strich seinen Räuberbart, und mir war sehr unbehaglich zumute, wenn ich das Mädchen betrachtete, wie es so neben mir saß und seine Brust sich hob und senkte, und ich konnte den scheuen Blick nicht davon wenden. Der Fischhändler war heute wieder ganz herrenhaft, im hohen, weißen Stehkragen, der leere, linke Ärmel, den er in die Tasche gesteckt trug, wallte nieder in schwungvollen Falten, und er redete viel und aufgeräumt, der einarmige Onkel, und das Mädchen lachte zu seinen Scherzen, silbernen Tons. Vielleicht war es gar nicht seine Nichte, schoß es mir glühend durch den Kopf, vielleicht war es ihr bestimmt, von ihm verkauft, wie ein Stück Vieh verhandelt zu werden und elend verschachert, das junge Blut, das weiße Fleisch, und ich rührte mit dem Löffel in meiner Tasse und zitterte vor Aufregung, und rührte so heftig, daß ich einen braunen Fleck auf das weiße Tischtuch spritzte und schnell die Zuckerschale darauf stellte, daß ihn niemand sähe.
 Da trat in diesem Augenblick der Wirt heran und rief Herrn Berger ab, zu einer geschäftlichen Unterredung: der Händler Moosbacher sei da, drinnen sitze er, in der Stube, und warte auf ihn. Ich lasse euch allein, sagte der Einarm, und erhob sich, seid brav, sagte er und lachte ohne Grund. Das kann eine Stunde dauern, bis es soweit ist, sagte er, der Kerl ist zäh, und wenn's euch zu langweilig wird, könnt ihr euch ein wenig die Beine vertreten, aber hier am Tisch, er klopfte auf die Tischplatte, treffen wir uns wieder, und bevor er ging, schien es mir, blinzelte er mich aufmunternd an.
 Da saß ich nun mit der Schönen, und wußte nichts zu sagen, und sie sagte auch nichts, und beugte sich weit im Stuhl zurück, daß die Bluse sich spannte, und sah in das Blättergrün des Baums hinauf, und ihre Nähe verwirrte mich. Da lachte sie und stand auf und glättete den Rock über den Hüften und sagte: gehen wir ein bißchen! Wir gingen dem hinteren Teil des Gartens zu, sie ging vor mir her, in hellen Strümpfen.
 Es standen hier keine Tische und Stühle mehr, der Garten war hier nicht mehr gepflegt, der Weg war überwachsen vom Gras und kaum noch zu erkennen, Sträucher gab es und Brennesseln wucherten, eine kleine, grüne Wildnis war es, die ich oft schon und gern aufgesucht hatte. Eine alte, morsche Schaukel hing hier, ich hatte sie schon manchmal benutzt, sie trug noch, mochten auch die Pfosten bedenklich wackeln, wenn man sich schwang. Sie lehnte es ab die Schaukel zu besteigen, die Weißblusige, aber ich ließ es mir nicht nehmen, den hölzernen Sitz zu erklettern und ein paar Schwünge zu tun, und ein bißchen hoffte ich wohl auch Eindruck damit auf sie zu machen. Aber das war verlorene Müh', denn sie schaute mir gar nicht zu, trat an den Zaun, der den Garten gegen das freie Feld abgrenzte, und sah in die Weite hinaus, und ich mochte die Schaukel singen und pfeifen lassen aus Leibeskräften, sie drehte sich nicht ein einziges Mal um, und einmal schien mir, sie seufze gar.
 Was mochte das Seufzen bedeuten? fragte ich mich, und wie es wohl mit ihr bestellt war? Ob sie ein armes, getäuschtes, nichts ahnendes Opfer war des herrenhaften Bösewichts, in seine Krallen geraten, wer weiß wie, oder ob sie ihr Schicksal kannte und wußte was ihr bevorstand und nichts dawider hatte und freiwillig sich hingab dem sündigen Beruf?
 Wilder schwang ich mich auf und ab, hoch und höher, und die Luft sauste mir ums Gesicht, kreischend sangen die rostigen Eisenringe und die Balken wankten mit Ächzen.
 Das Mädchen am Zaun wandte sich um, und: Ach, kommen Sie doch! sagte es, ein wenig unwillig, und ich ließ die Schaukel sich ausschwingen und sprang herab dann und gab dem Sitzbrett einen Stoß, daß es sich wieder in Bewegung setzte, und trat zu der Sünderin. Eine kleine Tür war im Zaun, mit einem Holzriegel war sie verschlossen, wir öffneten die Tür und verließen den Garten, und hinter uns die Schaukel schwang still tönend weiter.
 Ein Feldweg schlängelte sich hin, dem folgten wir. Ein mächtiger blauer Himmel wölbte sich über uns, an dem unbeweglich ein paar weiße Wolken standen. Die Hügel jenseits der Donau glänzten, als wären sie ganz nah, sah es aus, und die Sonne spiegelte sich in den Stoppelfeldern. Die Bäume waren noch im vollen, grünen Laub, die Kartoffeln trugen ihr Kraut, aber das hing schon schlapp und halb welk. Wir kamen an einem Rübenacker vorbei, da roch es scharf und bitter, und der Graben, der neben dem Fußweg hinlief, war voll Wasser, das ein bißchen Strömung hatte sogar, Moosfäden schwammen darauf, und großlappige Pflanzen hoben sich vom schwarzen Grund her.
 Die Neugier ließ mir keine Ruhe. Ihr Onkel, sagte ich lauernd, und versuchte ein gleichmütiges Gesicht zu machen, der Herr Berger, ist er, fragte ich, wirklich ihr Onkel? Sie sah mich erstaunt und belustigt an. Aber ja, sagte sie, und rupfte sich vom Wegrand einen langen Grashalm und steckte ihn in den Mund und kaute darauf herum. Wie kommen Sie darauf? Ich griff geärgert nach dem grünen Stengel zwischen ihren Lippen. Da kann man eine böse Krankheit davon bekommen, belehrte ich sie, die den Halm nicht los ließ, mit weißen Zähnen ihn festhielt. Ach, Unsinn! sagte sie, und spie ihn aber dann doch aus. Ihr Onkel also, fing ich von neuem an, gut also, ihr Onkel, meinetwegen, soll er's sein, und ich lachte frech. Sie verstand nicht, was ich meinte, oder tat wenigstens so, und zuckte nur fragend die Schultern. Ihr Onkel, fuhr ich fort, und sah sie durchbohrend an, ein seltsames Geschäft, das er betreibt, wirklich höchst seltsam! Sie war stehengeblieben, ihr Blick wurde drohend, aber ich hatte nun einmal Mut gefaßt und ließ mich nicht einschüchtern. Mit Fischen handelt er, sagte ich streng, aber er hat auch noch andere Ware, sagt man, wie? Sie gab keine Antwort und lachte nur. Mit Fischen, ich schrie es fast, mit weißen Fischen zu handeln, gut, das mag hingehen, aber mit weißen Mädchen! Das Wort war heraus, gesagt war, was gesagt werden mußte, und ich atmete tief. Ja, sagte sie, und war keineswegs getroffen von dem, was ich zu wissen schien, und: warum nicht? sprach sie im ruhigen Ton, ein Geschäft wie ein anderes, und wenn er mich nur gut unterbringt, das ist die Hauptsache!
 Blühend stand sie vor mir, die junge Sünderin, mit vollen roten Lippen, und lachte unbefangen, und mir wurde heiß und kalt. Wo war ich hingeraten? Ein Abgrund tat sich vor mir auf, tief und feurig, und ich sah auf die Stadt hin, auf unsre gute, fromme Stadt, deren Türme herleuchteten, tröstend und vertraut; ich hätte geglaubt sonst zu träumen. Dort lag sie vor mir, im Schatten des Doms, ehrbar und sittenfest, und hier ging an meiner Seite das mädchenhafte Geschöpf, verworfen und lasterschwer, die tief Gefallene, und fast bekam ich Mitleid mit ihr.
 Wir waren an einen Brombeerstrauch gekommen. Seine
dornbewehrten Zweige hingen voll von Früchten, noch grünlich von Farbe die meisten, andere schimmerten schon wie rötlich durchblutet, aber es waren auch etliche voreilig reife dazwischen, die schwarz glänzten, üppig und saftig. Meine Begleiterin beachtete mich nun gar nicht mehr, sie fing an sich Beeren zu pflücken und mit Bedacht und Genuß sie zu verspeisen, eine nach der andern. Hier haben Sie auch eine! sagte sie, und drehte sich plötzlich zu mir, und ihre Mundwinkel waren ein wenig schwarz gefärbt vom Beerensaft. Sie lachte, und sagte: Mund auf und Augen zu! Und sie war mir so nahe, daß ihre Brust mich streifte, nur leise, aber es durchfuhr mich wie Feuer, und ich schloß die Augen, wie sie es geboten hatte, und öffnete den Mund, und zitterte, und suchte es zu verbergen, daß ich zitterte, und sie schob mir die Frucht auf die Zunge, kühl und herb schmeckte es, und wie Adam war mir, im Paradies. Eine wütende Gier überfiel mich, ich riß die Augen auf. Das ist verboten! sagte sie, und ich legte die Arme um sie, und: Das ist erst recht verboten! schrie sie zornig und wollte sich mir entziehen. Was hat die sich zu zieren? dachte ich, die weiße Puppe, die wird anderes gewöhnt sein, ganz anderes, und ich sah die sündigen Lippen feucht vor mir, und die Zähne blitzten dahinter, und ich zog die vergeblich sich Wehrende heftig an mich und küßte sie wild, die Zappelnde, auf den roten Mund, zweimal, dreimal, immer wieder. Sie verlor den Halt, wankte, Obacht! schrie sie, und jetzt war sie es, die sich an mich drängte, nicht voll zärtlichem Liebesbegehren, um sich vorm Fall zu bewahren tat sie es, gleichviel, ich erschauerte, selig seufzend, und dann war der Sturz nicht mehr zu vermeiden. Wir sanken, eng aneinander geschmiegt, in den Brombeerenbusch, der seine Zweige öffnete, uns bitter zu empfangen, der mit den Dornen nach uns stach, den räuberisch Eindringenden, und dann lagen wir am Boden, Arm in Arm.
Als wir uns wieder aufgerafft hatten dann, aus dem dornigen Gewirr, und uns befühlten und beklopften, stellten wir fest, daß es so schlimm gar nicht geworden war. Ich war unten zu liegen gekommen im Sturz, dem Mädchen war nichts geschehen, aber ich hatte einen langen, klaffenden Riß im linken Ärmel, den ich erschrocken besah, und eine Schramme im Gesicht, von einem wütenden Dorn, die brannte, unter dem Auge, und blutete ein wenig. Die hell Bestrümpfte, sie sagte nichts, sie schimpfte nicht, sie schien mich gar nicht zu sehen, als sei sie allein, setzte sie sich auf einen Baumstumpf, nahm Kamm und Spiegel aus ihrer Handtasche, ordnete sich das zerzauste Haar, schob sich den Rock zurecht, und zog ein Schuhband fest, das sich gelockert hatte. Dann stand sie auf, und mit ihrem Taschentuch, das klein war und spitzenbesetzt, wischte sie mir das Blut ab, und mit einer Stecknadel machte sie dem Ärmel einen Notverband, ohne ein Wort zu sprechen, ohne mich dabei anzusehen, ohne Zorn zu verraten, mit unbewegtem Gesicht. Dann wandte sie sich und schritt den Weg zurück, zum Wirtshausgarten, ohne besondere Eile, und ich folgte ihr, stumm und benommen und beschämt und mit klopfendem Gewissen.
 Nun wird sie ihm alles sagen! dachte ich, von meinem frechen Überfall wird sie ihm berichten, dem einarmigen Seeräuber, und mit dem war nicht zu spaßen, ich hatte es erlebt am Fischmarkt, und ich hatte Schlimmeres verbrochen als die mäkelnde Magd. Einen Augenblick lang überlegte ich, ob ich nicht einfach ausreißen sollte, quer über die Felder hin, in die freie Weite, Haken schlagend wie die Hasen tun, auf Nimmerwiedersehn, aber ich bezwang mich, wenn schon, denn schon! sagte mein Trotz, mag kommen, was da mag! und ich wich nicht vom Weg ab, ging hinter meiner Anklägerin her in verbissenem Stolz, aufrecht einem ungewissen Schicksal entgegen.
 Da saß er schon am Tisch, der Herr Berger, strahlender Laune, es war ihm ein Geschäft geglückt anscheinend, und neben ihm saß ein kleiner Mann, der eine lange, schwarze Zigarre rauchte, und waren vergnügt, der magere Räuber und der Dickbauch, und glatzköpfig waren sie beide. Das ist Herr Moosbacher, Helen, sagte der Einarm zu dem Mädchen, ein gerissener Fuchs, ich bin ein Waisenknabe dagegen, und er lachte schallend und Herr Moosbacher lachte schallend mit. Er hat mich hereingelegt, fuhr er fort, so sündteuer habe ich noch keine Kartoffeln gekauft, aber das mußte lustvoll für ihn sein, denn er hob freudig sein Glas gegen den Sieger, mit funkelnden Augen, und trank von dem hellen Bier und wischte sich den Schnauzbart dann. Und du kannst am ersten Oktober bei ihm eintreten, sagte er stolz zu dem Mädchen, er braucht eine Aushilfskraft und da habe ich dich vorgeschlagen, aber er zahlt nur fünfzig Mark. Das ist mehr als genug für jemand, der grad von der Handelsschule kommt, sagte Herr Moosbacher, ohne die Zigarre aus dem Mund zu nehmen, und streckte Helene die Hand hin: Abgemacht, Fräulein Berger, und sie schlug ein.
 Ja, sagte Herr Berger befriedigt, zwei Fliegen auf einen Schlag, man muß alles mitnehmen heutzutag, nichts darf man auslassen, Fischhandel, Kartoffelgeschäft, Stellenvermittlung, wie's kommt, ein wenig bleibt von allem hängen.
 Dann sah er die Schramme auf meiner Backe. Ihr habt euch wohl gerauft, sagte er, und die Helen hat die schärferen Nägel gehabt? Helene sah mich groß an. Ganz im Gegenteil, sagte sie, wir haben uns sogar ganz ausgezeichnet unterhalten. Und beim Brombeerenpflücken wäre ich fast gestürzt, weil ich so gierig war, da hat mich der junge Herr aufgefangen und dabei hat er sich an einem Dorn gerissen. Aber es ist nichts Schlimmes, fügte sie hinzu, mit einem ruhigen Blick auf mich, und bis er geheiratet hat, ist es längst verheilt.
 Tief verlegen saß ich da und wagte kaum aufzuschauen, aber es kümmerte sich niemand um mich. Der Einarm war mit Herrn Moosbacher wieder ins Gespräch gekommen über Kartoffelpreise und Helene spielte gedankenvoll mit ihrem Kaffeelöffel. Vielleicht erwog sie die möglichen Vorzüge und Nachteile ihrer neuen Stellung, denn manchmal betrachtete sie lange und mit einem abwesenden Gesichtsausdruck den Mann, der künftig über sie befehlen sollte, seinen dicken Glatzkopf und seine schwarze Zigarre, und die silberne Uhrkette, die er über den Bauch gespannt trug.
 Eine Mückensäule drehte sich, vom Nebentisch herwandernd war sie nun bei uns, und streckte sich bis zu dem Blätterdach empor, verlor sich im Grün, und vielleicht reichte sie über den Wipfel des Baumes hinauf, und hoch und höher noch, ins Blaue, und das wirbelte und kreiste, unaufhörlich, und schimmerte silbern und glasflügelig. Ich verrückte unauffällig meinen Stuhl, bis die Säule zwischen meinem Gesicht und dem Gesicht des Mädchens war, und durch das flirrende Gewimmel hindurch blickte ich scheu auf die unbegreiflich Gnädige, wie durch einen Schleier, und das war mir wie schützend und angenehm.
 Dann fand ich es an der Zeit, mich zu verabschieden. Gleichmütig gab mir Helene die Hand, der Herr Moosbacher gab mir seine, und die Zigarre behielt er im Mundwinkel, und der Einarm winkte freundschaftlich, und er hoffe auf ein baldiges Wiedersehen vorm Schachbrett, sagte er mit seiner rauhen Stimme, und er freue sich schon auf einen schneidigen Reiterangriff, den er zu machen gedenke, und dann ging ich.
 Ich ging, und meine Fassung hatte ich noch nicht wiedergewonnen, und schritt rasch aus, und mußte mich zurückhalten, daß ich nicht zu laufen begann. Weg wollte ich, weit weg von der Stätte meiner Schande, und heim zur Stadt, die sich immer höher aufhob vor mir mit glänzenden Türmen. Wie hatte ich an den kindischen Unsinn glauben können, der Einarm sei Mädchenhändler! Wie gemein und abscheulich, daß ich die Rotlippige überfallen hatte, wie ein Strauchdieb, dreist und gewalttätig, die Edelmütige, die es verschmähte mich zu verraten! Wieder errötete ich, und spürte doch noch voll tiefer Genugtuung ihre Lippen süß auf den meinen. Und rot wie mein schamrotes Gesicht war feurig vor mir die Stadt, in der sinkenden Sonne glühend, und lichterspritzend sich spiegelnd im Fluß.
 Zu Hause schlich ich auf den Zehenspitzen über den dämmernden Gang und in die Küche, und dort saß Anna, unser Mädchen, eine Schüssel auf den Knien, Bohnen säubernd und in Stücke schneidend, und ich legte den Zeigefinger Stillschweigen heischend auf die Lippen und winkte ihr, mir in ihre Kammer zu folgen. Den Riß im Ärmel sollte sie mir flicken, bat ich sie, jetzt gleich, daß man den Schaden nicht sofort entdecke. Später, bei gelegener Stunde, würde ich es meiner Mutter schon berichten, für heute war es genug, fand ich, ihre besorgten Fragen wegen der Schramme im Gesicht erdulden zu müssen. Ich zog den Rock aus und Anna holte ihr Nähzeug hervor und begann mit vorsichtigen, kleinen Stichen die Arbeit, nachdem sie vorher die Stecknadel, Helenes Stecknadel, aus dem Ärmel gezogen und in ein beinernes Büchschen zu anderem blinkend Spitzigen getan hatte. Ich saß auf der Kante ihres Bettes, von dem der Einarm so dunkelschwül Abscheuliches gesagt hatte, und sah ihr zu. Ich durchforschte der Nähenden Gesicht, ihre guten, stillen Züge, und wunderte mich, daß ich das ihr zugemutete Böse auch nur einen Augenblick lang hatte glauben können. Sie sah auf von der Arbeit und begegnete meinem prüfenden Spähen und hielt ein mit dem Gestichel und fragte: Warum schaust du mich so an? Ach! sagte ich, und streichelte mit der Hand, die ich auf dem Rücken verbarg, heimlich das Kopfkissen, ach!  sagte ich, gleichgültig tuend, nur so, und mach' nur zu! Und sie nähte eifrig weiter, und Josef, der Zimmermann, der buntglänzende Josef auf dem Bild, schwang den Hobel, daß die Späne flogen.
 Ich ging früh schlafen heute. Vor meinem Bett, dessen Decke weit und einladend zurückgeschlagen war, mit Sorgfalt verrichtete Anna das allabendlich, blieb ich eine Weile stehen, im langen, weißen Nachthemd, blieb stehen im Zimmer, in dem die letzte Tageshelle noch war, und in den Bäumen draußen rauschte es geisterhaft. Dann legte ich mich in das Bett, aber ich stellte mich umständlich und behutsam dabei an, glatt und faltenlos sollte das Leinentuch bleiben, auf den Rücken legte ich mich und zog straff und fest das Hemd bis an die Knöchel, und die Arme tat ich an den Leib und lag so, lang ausgestreckt, ohne mich zu rühren, und ohne die Decke über mich zu ziehen. Es war schön so, in dem frommen Leinen, das so gut roch, und friedlich war es und brav, und ich beschloß, die ganze Nacht so liegen zu bleiben, still auf dem Rücken, ohne Kissen und Tücher zu zerwühlen, wie ich es sonst gerne tat, am Morgen sah man's dann immer. Die Abendkühle drang durchs Fenster, ein leises Schaudern überlief mich, aber ich verharrte in meiner Stellung und faltete die Hände und horchte auf das Rauschen vorm Fenster und schloß die Augen und versuchte zu schlafen, trotz der ungewohnten Rückenlage, und ohne die wärmende Decke zu benutzen.
 Im Entschlummern, halb träumend, sah ich hochschäftig und starr zu beiden Seiten meines Bettes weiße Lilien emporwachsen, bleich und keusch und schwanenhäuptig, und von dem Blumengitter umhegt schlief ich, des Traumes froh, tiefseufzend gänzlich dann ein. Als ich am andern Morgen erwachte, fand ich mich schwelgerisch geräkelt, und die Decke hatte ich bis ans Kinn gezogen, und Kissen und Tuch waren zerrüttelt, wie sonst auch immer.
 
 



Drucknachweise und Anmerkungen:

S.222 Donaufischer und Mädchenhändler
Diese Fassung wurde, wohl wegen ihres Umfangs und ihrer Thematik, zuvor nicht gedruckt. -1940 erschien die Erzählung auch in der Anthologie Das Spielzeug der Komtess u.a. Novellen (= Bücher der Neuen Linie), Leipzig/Berlin: Beyer, S.87-102.
Eine erste Fassung u.d.T. Erinnerungen an einen Mädchenhändler erschien in: Jugend, 34, 1929, S.666-686 [12.Oktober], und wurde dann mehrfach gedruckt; sie enthält nur den ersten Teil der Erzählung, die ›Schachspiel‹ Passage (bis S.228, Z.2o). Diese Fassung ist, bei identischem Handlungsgang, erheblich kürzer; die spätere zeigt gegenüber dieser ersten Fassung beispielhaft für die Stilentwicklung von B.s Prosa »erstens Neigung zur ›Entgegenständlichung‹ oder umgekehrt: Spiritualisierung, zweitens Schwellung der Erzählform im Kleinen wie im Großen als Entsprechung zum Spannungsabbau« (Bode, S.85).
S.222, Z.6f. : Über uns rauschte es in den Nußbäumen; wie Atem holend, tief
E: Die Nußbäume über uns rauschten
S.222, Z.25: wußte ich von ihm nicht. E: wußte ich von ihm nicht, und ich glaube, er galt als etwas anrüchig in der Stadt.
S.223, Z.1-3: oder bestellte [...] ein Strohhalm Fehlt in E.
S.223, Z.9-12: Mit Befangenheit [...] noch viele folgen. Fehlt in E.
S.223, Z.20-25: wie er den Gaul [...] dachte ich bewundernd Fehlt in E.
S.224, Z.4-6: Und wenn es doch [...] geführt hatte? Fehlt in E.
S.224, Z.35 - S.225, Z.2: singenden Mädchen [...] bitter lachen. Fehlt in E.
S.225, Z.3-8: splitternackt und weiß [...] lüstern lachend. Fehlt in E.
S.226, Z. 1-5: mit Taschen [...] zufrieden waren sie nie. Fehlt in E.
S.226, Z.13-15: und wie Hammerschläge [...] gelebt hatten. Fehlt in E.
S.226, Z.2o-24: Ich hatte mich [...] jedem Erwerb voranging Fehlt in E.
5.226, Z.35 - S.227, Z.11:Ich lehnte mich an den Brunnen [...] an den breiten Schultern, es war
E: Während ich stand und lauerte, näherte sich ihm ein Mädchen, und das war
S.227, Z.31f.: weil sie nicht allein gewesen [...] als süß zu schlummern E: weil sie einen Kerl im Bett gehabt habe