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Georg Britting
Sämtliche
Werke - Prosa -
Herausgegeben von Georg-Britting-Stiftung
Aus: »Erzählungen,
Bilder, Skizzen«
Ich habe einen guten Freund,
der lebt jetzt nicht mehr in Deutschland, der lebt jetzt in England. Wenn
ich mit ihm zusammensaß, und wir tranken Wein, so stürzte er
das Glas in einem Zug hinunter. Er machte das nicht nur mit dem ersten
Glas so, er machte es mit jedem Glas. Er trank nicht mehr als wir, er wartete,
geduldig und höflich genau, bis wir andern, den Wein schluckweis trinkenden,
auch unser Glas leer hatten. Dann goß er die Gläser voll, und
seins trank er dann wieder leer in einem einzigen habgierigen Zug. Ich
fand es etwas grobschlächtig, so zu tun, und fand es auffallend bei
einem so artigen Mann, der er ist, und einmal sagte ich ihm: Tu langsam!
Er sah mich nur lächelnd an, wie einer, der es besser weiß,
und legte seine breite, feste Hand auf meine, und sagte: Laß mich
so! Und ich ließ ihn so, ohne nach seinen Gründen zu fragen.
Er wird diesen Brauch beibehalten haben im fremden Land. Genug zu trinken
zu haben, wünsche ich ihm, die Insel ist neblig.
Dann begegnete mir diese
Verhaltensweise wieder. In Köln war ich mit einem berühmten Dichter
zusammen. Der hatte seine Gedichte im Rundfunk gesprochen, und nach der
Lesung erwartete ihn ein Gelehrter, von großem Namen auch er, der
nur gekommen war, von dem Hochverehrten, den er noch nicht von Angesicht
zu Angesicht, nur aus seinen Versen kannte, sich das Glück auszubitten,
daß er ein Glas Weins mit ihm trinke. Wir gingen in die Wohnung des
sonderbaren Schwärmers. Er hatte aus dem Keller den besten Jahrgang
geholt. Feierlich-umständlich entkorkte er die Flasche und füllte
die Gläser mit dem flüssigen Gold: das Zimmer duftete davon.
Er stieß mit dem Dichter, dann mit mir an, und da geschah es: der
Dichter stürzte sein Glas in einem einzigen Zug hinunter. Ich erschrak
über das Unangemessene. Der Wein war ein hochedles Gewächs, bei
einem einfachen hätte es noch angehen mögen. Der gelehrte Herr
erschrak sicher nicht weniger wie ich, ließ sich aber nichts anmerken
und schenkte dem Dichter das Glas sofort wieder voll. Und wieder leerte
es der in einem tiefen Zug. Unser Wirt war zu vornehm, ein Wort darüber
zu verlieren. Ich sagte auch nichts, mir war mein Freund in England eingefallen.
Dann redeten wir, dieses und jenes, und der Dichter mußte zur Bahn,
und wir begleiteten ihn. Unerschüttert aufrecht schritt er dahin.
Ich trinke, auch wenn
ich Schnaps trinke, das Glas nicht in einem Zug leer. Das liegt nicht in
meiner Natur. Doch weiß ich, daß es beim Schnaps viele mit
dem »Aufeinenzug« halten. Bei einem Verleger, der aus dem Schwarzwald
ist, gab es einen Himbeergeist, herrlichen, alten, der roch, wie ein ganzer
Himbeerschlag riecht, wenn er in der Sonne glüht. Ich nahm, wie gewohnt,
meinen Schluck, der Verleger kippte sein Glas kopfüber hinab. So sei
es richtig! sagte er tadelnd, jeder Schwarzwaldbauer mache es so. Das gäbe
einen glühenden Stoß bis ins Herz.
Einmal versuchte ich's
auch mit dem »Aufeinenzug«. Es war eine leere Stunde, traurig
war mir zumut, ohne Grund, und da fielen mir die Aufeinenzug-Leute ein.
Ich hatte eine Flasche Burgunder stehen, die holte ich hervor. Ich goß
mir das Glas voll und leerte es, ohne abzusetzen. Und ein zweites und drittes
hinterdrein. Eine Feuerwolke umhüllte mich. Es war eine Wärme,
die kein Ofen spenden kann. So himmlisches Feuer gibt nur der Wein. Es
war ein plötzliches Glück. Die Traurigkeit war fort, und in rosigen
Nebeln dampfte die Welt. Die gedrungene Burgunderflasche gefiel mir, und
ich legte die Hand um sie, wie um eine Frauenhüfte. Ich begann zu
sprechen, obwohl ich allein war und lauschte meinen Worten, die ein andrer
sprach. Ich glaube, ich habe Weises gesprochen und Schönes, obwohl
es sich nicht reimte. Zuletzt dann sprach ich in Reimen, und die Reime
fielen mir zu, wie die Apfel vom Baum fallen, in der rechten Stunde.
Seitdem bin ich wieder
zu meiner alten Gewohnheit zurück gekehrt. Ich trinke, wie es sich
gehört, den Wein in kleinen Schlucken, seine Würze zu schmecken.
Aber vielleicht haben die andern recht, mein alter Freund auf der Insel,
und der Dichter, der nun schon tot ist.