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© Georg-Britting-Stiftung

Georg Britting
Sämtliche Werke  - Prosa -
Herausgegeben von Georg-Britting-Stiftung

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Band 5  Seite 289
Kommentar Seite 415

Aus: »Erzählungen, Bilder, Skizzen«


Der polnische Schmied

In einem strengen Winter war das, in einem Dorf in Polen, vor mehr als hundert Jahren, und die Menschen waren noch einfältigen Gemütes und fromm. Die Kälte war so hart, daß es die Raben bis ins schwarze Herz hinein fror und sie tot von den Bäumen fielen, den Füchsen zum Fraß, die sonst nicht viel fanden.
 Da war ein Schmied in dem Dorf, baumlang und mit breitem Brustkasten, der war von ordentlicher Natur, bei ihm mußte alles am gehörigen Platz sein, jedes Durcheinander war ihm zuwider. Und weil ihm eben jetzt noch, zur späten Abendstunde, in der Wohnstube eine Eisenstange stand, mit der er am Nachmittag ein widerspenstiges Krautfaß geöffnet hatte, so ließ ihm das keine Ruhe, und er mußte sie durchaus noch in die Werkstatt bringen, die neben seinem Haus lag.
 Er trat vor die Tür, Mondschein war, der Schnee glänzte, und vor ihm war ein großer, grauer Hund, dem sträubten sich die Nackenhaare vor dem unerwarteten Mann. Das ist der vom Wirt, erkannte ihn der Schmied, und sagte: »fort mit dir! «. Der ging aber nicht, knurrte nur tief aus der Brust heraus, und wie Feuerkugeln glühten seine Augen, und nun setzte er gar zum Sprunge an. Ja, freilich, sagte der Schmied, das wäre, und schlug dem Hund die Stange unsanft über den Rücken. Darob stieß das Tier einen erbärmlichen Schrei aus, unterließ es zu springen und suchte, das Hinterteil nachschleppend, das Weite. Blut sieht man keins, stellte der Schmied fest, und so bös wars auch nicht gemeint, und sah zum kalten Mond hinauf, auch Sterne waren da, und trug die Eisenstange in die Werkstatt und legte sich dann ins Federbett zu seiner Frau, da wars warm.
 Am andern Morgen machte ihm sein Gewissen schwer zu schaffen, ob er nicht gestern zu gröblich gehandelt habe gegen des Nachbarn Vieh. Er ging denn zu dem Wirt, und auf den Staffeln vorm Wirtshaus saß der Hund und knurrte - der Schmied hatte den Ton noch im Ohr. »Hast du noch nicht genug?« fragte er versöhnlich und gab dem Hund einen Fußtritt. In der Wirtsstube trank er keinen Schnaps, so locker saß ihm das Geld nicht an einem gewöhnlichen Werktag, sondern sagte dem Wirt nur, daß er besser solle Acht haben auf seinen herumstrolchenden Köter, und gestern sei der bei Mond- und Sternenschein vor seiner Schmiede gesessen, ein Schreckbild und greulich. »Was?« antwortete der Wirt gekränkt, »die ganze Nacht lag er mir im Hausflur an der Kette und vor einer halben Stunde erst ließ ich ihn los.« »Ich hätte gewettet, es sei deiner gewesen«, versetzte der Schmied, seiner Sache nun nicht mehr sicher, kraulte sich den Bart und ging heim.
 Keine hundert Schritte von seinem Haus entfernt, jenseits der Straße, auf freiem Feld, in einer Mulde, fand er, was er suchte: Groß und grau lag der Hund im Schnee und zeigte ihm die Zähne, obwohl das keinen Sinn mehr hatte, tot wie er war. Der Schmied hatte ihm das Rückgrat zerschlagen! Es war kein Hund, sah er jetzt, im hellen Taglicht, es war ein Wolf, und keiner von den kleinsten. Eine Wölfin war es, und es wird niemand verwundern, daß der Schmied die Mütze abnahm, ein Stoßgebet sprach und sich bekreuzte.
 Das Wolfsfell gab ein schönes Erinnerungsstück, um das er viel beneidet wurde. Da sieht man es wieder, sagten die Bauern, wer Glück hat, führt die Braut heim, und sagten, wer es haben soll, der kriegt's, und ihm läuft es noch zu, und warfen mit Sprichwörtern um sich, und so ein Lapp, sagten sie, erschlägt einen Hund und gewinnt eine Wolfshaut! Ihren Kindern aber schärften sie es streng ein, am Abend nicht mehr das Haus zu verlassen.
 Vor mehr als hundert Jahren begab sich das Abenteuer des polnischen Schmieds. Viel, viel früher begab sich,
wenn dem römischen Geschichtsschreiber zu trauen ist, ein Ähnliches. Nördlich der Donau, im heutigen bayerischen Gebiet, saßen germanische Völker, hochgewachsen, kindhaften Gemüts und rotbärtig. Sie waren im Krieg gegen römische Soldaten, und als die wieder einmal über den grünen Strom setzten, die Barbaren zu züchtigen, so nannten sie es, hatte ihr Befehlshaber einen prächtigen Einfall, wie die Natursöhne zu schrecken seien, gleich zu Beginn In Käfigen, die auf Rädern liefen, Löwen war sein Befehl. Die ließ man frei und hetzte sie mit Fackeln gegen den Feind, und versprach sich viel Erfolgs davon. Die schrecklichen Leuen trafen zuerst auf den Stamm der Quaden. Als diese die Tiere in Sprüngen herankommen sahen, verwunderten sie sich sehr und sagten zueinander: »Nein, schaut nur, die großen, gelben Hunde! Und wie dickköpfig!« Und sie schlugen die vermeintlichen Hunde mit groben Keulen nieder. Dann erst warfen sie sich auf die gepanzerten Römer mit Ungestüm.
Die Löwen waren gänzlich ungepanzert gewesen.