Band 5 ANHANG  S.364 

DER FÜNFZIGJÄHRIGE

»Der 50. Geburtstag hat gar nicht weh getan«, schrieb Britting am 18.2.1941 an Herbert G. Göpfert, damals Lektor bei Langen-Müller: 
....und ich danke Ihnen sehr für Ihren Geburtstagsbrief, und auch sonst! Und sagen Sie ....bitte meinen Dank auch »dem ganzen« Langenmüllerverlag für das gereimte ....Glückwunschtelegramm: besser könnens ja Ihre Autoren kaum! 
Aufsätze in der Presse erschienen, die auf dieses Datum Bezug nahmen (vgl. dazu Bd. 2, S. 257); das Innere Reich veröffentlichte im Februarheft 1941 ein Britting gewidmetes Gedicht von Friedrich Bischoff (»Sankt Georg Merlin«) und Eugen Roth gab in der Zeitschrift Das XX. Jahrhundert eine Art Momentaufnahme, die Existenz des Freundes ausleuchtend: 

Er lebt in München, abhold dem großen Getriebe, in der Stille seines Junggesellenzimmers, das ein kluger Besucher, in seiner fast strengen Nüchternheit, gar nicht zu unrecht ein ›Feldherrnzelt‹ genannt hat. Er verbringt seine Tage in großer Regelmäßigkeit, ist viel allein, geht allen Verlockungen, ihn in die Literatur, ja in die Welt überhaupt hineinzuziehen aus dem Wege, ist wenigen, diesen aber mit der ganzen Gewalt seiner Persönlichkeit aufgeschlossen, beim Wein, am Schachbrett, auf gewohnten Wegen den Fluß hinab oder auf weiten Wanderungen in den Bergen.
Der Geburtstag fiel in trübe Zeiten. Das Leben in München hatte sich zwei Jahre nach Kriegsbeginn noch nicht allzusehr verändert, abgesehen von der schlechter werdenden Ernährungslage. Die Konzertsäle waren besucht, die Theater hatten volle Häuser, auch die Verlage arbeiteten fast noch wie in Friedenszeiten. Dennoch waren die Menschen gedrückter Stimmung. Am Silvesterabend 1941, an dem Britting wie alljährlich bei Alverdes war, schrieb dieser in sein Tagebuch: 
Abends Eugen Roth mit Frau, Braun und Frau, Britting. Gemeinschaftsessen, da bei schwindenden unersetzbaren Vorräten jeder Gast etwas mitbringen mußte. Gedrückte, trübselige Stimmung, die Gedanken quälen sich bei jedermann um das Zukünftige, das finster droht. Die verworrene hilflose Neujahrsbotschaft [Hitlers] ist kein Trost, eher tiefer besorgter herabstimmend.
Eine Feier hatte sich der Fünfzigjährige verbeten,aber am Abend seines Geburtstags traf er sich mit einigen Freunden im Foyer des Hotels Vier Jahreszeiten. Gegenüber den Jahreszeiten liegen die Münchner Kammerspiele, wo an diesem Abend der Sommernachtstraum auf dem Spielplan stand. Von dort kam ich, Georg-Britting-Stiftung Fröhlich, Brittings spätere Eheftau, damals eine junge Schauspielerin, um an der kleinen Geburtstagsgesellschaft noch teilzunehmen. Ich war ein halbes Jahr zuvor vom Berliner Schillertheater, wohin ich von Heinrich George engagiert worden war, in meine Heimatstadt München zurückgekommen. Otto Falckenberg, dem Leiter der Münchner Kammerspiele, hatte ich gleich nach dem Abschluß meines Studiums vorgesprochen, er erinnerte sich meiner, als er den Sommernachtstraum inszenieren wollte und bot mir die Rolle des Puck an. Ich hatte aus Berlin noch Britting darüber berichtet, etwas enttäuscht, da mir, die ich von Penthesilea und ähnlichen Rollen träumte (das Vorsprechen dieser Rolle hatte mir bei Heinrich George das Engagement eingetragen), der Puck nicht recht gefiel, und Britting hatte mir geantwortet: 
Man kann ja vom Sprachlichen her, und in der Art zu spielen, besonders bei Shakespeare, auch aus einer einem nicht gerade »liegenden« Rolle was machen. [...] Die alten Meister malten auf Goldgrund. Der war zu spüren, auch wo er nicht zu sehen war. Jede echte Kunstleistung muß auf Gold gemalt sein. Das Gold ist quasi die untergründige tiefere Bedeutung. Das ist beim Puck die scheue traurige Angst des vom Seelenhaften ausgeschlossenen Elfenwesens; vorn die Maske des Streiche verübenden frechen, lustigen Burschen, darunter ja, darunter, gar nicht vorn, gar nicht aufdringlich, für das oberflächliche Auge gar nicht wahr zu nehmen, der Goldgrund! Nicht einmal Flkbg [d.i. Falckenberg] braucht ihn wahr zu nehmen. dann kommt eine Wirkung, die sozusagen unerklärlich ist, für ihn u. das Publikum, und doch gespürt wird, wenn auch ohne Bewußtsein darum. Sei toll und dreist als Puck, auf Goldgrund! 
Manche haben den Goldgrund ohne zu wissen daß sie ihn haben, vielleicht [Heinrich] George u. solche Typen. Die Straub und die Dorsch wissen es vielleicht auch, daß sie ihn haben. 
Aber laß dich nicht einschüchtern durch meine Ratschläge. Ich glaube, du hast den Goldgrund von Natur aus. Und ich hätte dich nicht zu belehren brauchen [...].
Der Sommernachtstraum hatte im November 1940 Premiere und war, auch für den Puck, ein Erfolg; die Aufführung blieb lange auf dem Spielplan. Ich gab erst kurz nach der Heirat mit Britting, 1946, meinen Schauspielerberuf auf. 
Seit 1935 bewohnte Britting das von Roth erwähnte möblierte Zimmer im Stadtteil Bogenhausen, Holbeinstraße 5. Es beeindruckte noch manchen Besucher, veranlaßte auch Alverdes zu einer kleinen Betrachtung, die 1949 in der Zeitschrift Weltbild erschien und den Titel trägt: »Im Zimmer des Dichters«: 
Georg Britting liebt den Rauchtabak und den Wein, von welchem er so viel verträgt wie der Weihbischof in Goethes Sankt-Rochus-Fest, »besonderer Gnade gewürdigt« auch er. Über alles aber liebt er die deutsche Sprache, so sehr, daß er sich zeitlebens geweigert hat, sich ihrer, außer in seinen Versen und in der nicht weniger eigentümlichen Prosa seiner Erzählungen zu sonstigem schriftstellerischem Erwerb zu bedienen. Darum bewohnt er nur ein einziges Zimmer, merkwürdig durch eine hölzerne Stiege, die mitten hindurchgeht, und noch merkwürdiger vielleicht durch die peinlichste Ordnung und Aufgeräumtheit darin, die einen Besucher nicht gerade auf einen Künstler schließen machte.
Brittings Zimmer besaß einen eigenen Eingang im zweiten Stock des Hauses.Von diesem Entree aus führte die von Alverdes genannte Holztreppe in eine einfenstrige Mansarde, die den Raum in zwei ungleich große Hälften teilte. Die Dachschräge war durch eingebaute, geräumige Schränke begradigt und hatte Schiebetüren; hier waren neben anderem auch Brittings wenige, für den Besucher nicht sichtbare Bücher untergebracht. Die Einrichtung bestand aus einem mächtigen Schreibtisch, der die Mitte der größeren Hälfte des Zimmers einnahm und gutes Licht durch das einzige Fenster erhielt. Außerdem gab es einen zwei Meter breiten Kleiderschrank, einen Sessel für Besucher, eine Couch und einen Waschtisch. Etwas erhöht, in einem Alkoven, zu dem zwei Stufen führten, war hinter einem Vorhang verborgen, das Bett. Das Zimmer hatte Zentralheizung, aber weder Bad noch Wasseranschluß; und so mußte das Wasser aus der Küche des Vermieters geholt und auch dessen Bad benutzt werden. Trotz dieser Umständlichkeiten fiel es Britting nicht leicht, nach sechzehn Jahren diese Junggesellenbehausung aufzugeben. 
In Brittings unmittelbarer Nähe wohnte das Ehepaar Achmann. Der Maler Josef Achmann gehörte zu Brittings engsten Freunden (siehe dazu auch Bd. 1, S. 583 fl, seine Frau war Staatsschauspielerin am Münchner Residenztheater; daneben betrieb sie eine staatlich anerkannte private Schauspielschule. Sie war die Großnichte des Königlichen Hofintendanten, Kämmerers und Komponisten unter Ludwig II., Karl Freiherr von Perfall, und die Tochter des von Wilhelm Leibl gemalten Anton von Perfall, der schriftstellerte und als großer Jäger galt. Als Schauspielerin nannte sie sich Magda Lena. Ihr Theaterblut hatte sie von der Mutter geerbt, einer Wiener Schauspielerin. Das Perfallsche Familienhaus in Schliersee stand Britting als Freund der Achmanns offen; See und Landschaft dieser Gegend sind in mancher seiner Erzählungen erkennbar geschildert. Für Magda Lena schrieb er die Komödie Die Stubenfliege, die 1927 am Münchener Residenztheater zurAufführung kam, und als sie 1929 die Rolle der Penthesilea spielte, führte Britting vier Wochen eine Art Privatregie mit ihr. Seit sie unterrichtete, ging er auch zu den Abenden, bei denen sich ihre Schüler jährlich im Schwabinger Steinicke-Saal zum erstenmal der Presse stellten. 1938 gehörte ich zu ihnen, ich bot eine Szene der Elektra des Euripides. Bis zu Magda Lenas plötzlichem Tod im Jahr 194o war Britting im Hause Achmann täglicher Mittagsgast. (Siehe dazu auch Bd. 1, S. So, S. 6o1 u. S. 623, ebenso Hohof, S. 17-19.) 
Im März 1941 las »der unlängst fünfzig Jahre alt Gewordene« im Herkulessaal der Residenz »vor bemerkenswert zahlreicher Hörerschaft«, so Hanns Braun am 20.3.1941 in der Münchner Zeitung
zuerst die seltsame, immer unheimlicher werdende Erzählung »Der Schneckenweg«, in der, beim erstenmal unmittelbar, beim zweitenmal in nachträglicher Enthüllung, ein sieghaftes und erfolgreiches Künstlermenschenleben unter den Aspekt derVergänglichkeit tritt, der alles Bloß Irdische richtet und so manchem Geschehen oderTun, das zu seiner Zeit prächtig schien, den feinen Makel derVergeblichkeit auferlegt.
Der neue Erzählungsband aus Anlaß des 50. Geburtstags änderte nichts an Brittings schmalen Einkünften. Herbert G. Göpfert, der die Verkaufszahlen seiner Bücher kannte, bot ihm 1941 an, für den Langen-Müller-Verlag zu lektorieren, wobei bereits eine Vorauswahl der Manuskripte getroffen sein sollte. Dem stimmte Britting zu. Alle drei bis vier Wochen nun brachte ein Verlagsbote sechs bis acht Manuskripte in die Holbeinstraße und holte sie nach Verabredung auch wieder ab. Brittings »Referate« sollen sich durch ungewöhnliche Kürze, aber Treffsicherheit ausgezeichnet haben, erhalten hat sich nichts davon. Im Deutschen Literaturarchiv Marbach, wo Teile des Nachlasses von Langen-Müller liegen, fand sich ein Brief vom 18 11.1942, in dem Britting ans Lektorat schreibt: 
beiliegend einige Urteile, auch über Perkonig. Es gefällt mir gar nicht recht, über einen wohlbestallten Verlagsautor urteilen zu sollen. Ich hab' versucht, ganz objektiv zu sein. Aber das versuch ich auch sonst. 
Verlagskorrespondenz, die Auskunft geben könnte über die Vorbereitungen zu Brittings Erzählungsband Der Schneckenweg, ist nicht überliefert. 
 



 


Der Nachlass

Brittings Nachlaß ist relativ umfangreich. Die erste Gesamtausgabe, von der NymphenburgerVerlagshandlung zwischen 1957 und 1961 in sechs Bänden veranstaltet - eine mäzenatische Tat, wie Britting selbst feststellte -, hätte fortgesetzt werden können, Prosa und Gedichte dafür lagen vor, aber aus Gründen, die sich aus Brittings Existenz erklären, kam es nicht dazu. Einerseits scheute sich der Autor, seinen Verlag finanziell noch mehr zu belasten, andererseits sicherten ihm ausschließlich die Nebeneinkünfte aus den in Zeitschriften und Zeitungen publizierten Gedichten und Prosatexten seine Lebensgrundlage. Auch die Radiohonorare gehörten dazu. 
Am 2.11.1955 schrieb er an Georg Jung: 

ich bin in der lage von z. b. wilhelm lehmann, von benn, (»wohl wird ein jeder klopstock loben, doch wird ihn jeder lesen, nein, wir wollen weniger erhoben und mehr gelesen sein!«) so wars schon damals! emil barth, kennen Sie den namen? verdiente voriges jahr 48 mark mit seinen büchern. Ich ungefähr 36. von lehmann gibt es ein halbes dutzend prosawerke, romane, erzählungen, die kein verleger wagt wieder aufzulegen. das ist die situation heute. Die »dichter« leben vom nebenbei, abdrucke in der presse, radio etc., ausnahmen bestätigen nur die Regel. carossa geht es auch nur mehr mäßig. Die »schriftsteller« habens besser.




 


Anfang und Ende

Die postume Zusammenstellung des Bandes Anfang und Ende, die 1967 Prosa aus dem Nachlaß in großen Teilen publizierte (und frühe Dramen Brittings erstmals wieder veröffentlichte), konnte für die vorliegende Ausgabe nicht übernommen werden, da viele Texte in frühere Bände dieser Ausgabe eingegangen sind. 
Brittings nachgelassene Prosa zu erfassen und zu ordnen erwies sich als wesentlich komplizierter als die Herausgabe des 1965 postum veröffentlichten Gedichtbandes 
Der unverstörte Kalender. Zum einen fehlte in Brittings Mappe, die den Nachlaß enthielt, eine Reihe von nur in Zeitungen abgedruckten Texten. Britting war aber insoweit vorsorglich gewesen, als er im Lauf der Jahre die meisten der »alten Sachen« seinen Briefen an Georg Jung beigelegt hatte. Jung war für ihn, der selbst gar keinen Hang zum Sammeln und Aufbewahren hatte, so etwas wie ein Archiv. Dies erkannte zuerst der Germanist Friedrich Sengle, damals Professor in Marburg, der daraufhin die Dissertation von Dietrich Bode anregte - unter Nutzung der Jungschen Materialien. Besonders Materialien aus den fünfziger Jahren schickte Britting mit auffallender Konsequenz in verschiedenen Fassungen an Jung. So gab es von den Erzählungen, Anekdoten und Bildern verschiedenste Abdrucke oder Typoskripte, die nicht immer als für eine Buchpublikation verbindlich gewertet werden konnten, da Britting oft für Zeitungen kürzere Fassungen hergestellt hatte. Damit begann ein Vergleichen der vorliegenden Maschünenabschriften mit den Fassungen, die Jung besaß oder die von Bode kamen. 
Die Frage, was von alledem in den postumen Prosaband aufgenommen werden sollte, was nicht, war für die Herausgeber Georg-Britting-Stiftung Britting und Friedrich Podszus im Zusammenwirken mit Georg Jung nicht leicht zu entscheiden. Ende September 1964 war der Nymphenburger Verlagshandlung das Manuskript für den Gedichtband Der unverstörte Kalender übergeben worden. (Siehe Bd. 4, S. 404-4o6); am 29.10.1964 schreibt Georg-Britting-Stiftung Britting an Georg Jung: 

Für mich beginnt nun schon das Sichten und Auswählen für den 8 Band der Gesamtausgabe, das Manuskript dafür möchte Spangenberg nächsten September haben. [...] Ob von den frühen Arbeiten, die Sie mir geschickt haben, etwas hineinkommt, ist mir noch nicht klar. [...] Ich möchte Ihnen ein paar Sätze aus dem letzten Brief Bodes an mich abschreiben, den Prosaband betreffend.
Dietrich Bode hatte zwischen 1957 und 1959 seine Doktorarbeit über Britting geschrieben, diese noch ergänzt und als Monographie: Georg Britting, Geschichte seines Werkes mit einem Vorwort von Friedrich Sengle 1962 bei Metzler in Stuttgart herausgebracht. Er war der erste, der das Frühwerk Brittings einer gründlichen Analyse unterzog, der verschollen geglaubte Theaterstücke, Komödien, deren Existenz der Autor selbst vergessen hatte, ausgrub und auf die Qualität seiner expressionistischen Prosa der zwanziger Jahre hinwies. Britting nannte Bode wegen seiner Ausgrabungen zwar in komischer Verzweiflung einen »furchtbaren Menschen«, blieb aber nicht unbeeindruckt von dessen Beurteilungen. 
Am 8 September 1958 schrieb Bode aus Marburg an Britting: 
[...] Sie schelten mich wegen meiner Ausgrabungen einen furchtbaren Menschen. Ich darf- Sie verstehen: um des Spieles willen und mit verehrendem Respekt natürlich - Ihnen erwidern: Sie machen mir Kummer, daß Sie so ungeschichtlich sind, so künstlerhaft-zeitlos, indem Sie z. B. der literarischen Welt jetzt noch Gedichte von 1921 bescheren, mit Expressionismus ins Jahr 1957 oder 58 platzen und Ihre Gedichte und Erzählungen immer wieder um- und umschreiben. Die »Zwei Krähen vorm roten Himmel« von 1919 sind ja sogar 1957 noch nicht zur Ruhe gekommen. Und der zünftige Literaturhistoriker möchte Sie doch zu gerne etwas »gliedern«. Aber wenn Sie sich auch so auf Ihre Weise sträuben, ich habe den festen Willen, Ihnen eine Entwicklung unterzulegen. [...]
Sechs Jahre später waren die Nachlaßherausgeber dankbar für seinen literaturhistorischen Rat. Bode schrieb am 14.5.1965 an Georg-Britting-Stiftung Britting: 
Und nun das schwierige Kapitel der frühen, teilweise aus der Sichel-Zeit stammenden Stücke. Von der Literaturgeschichte her scheinen mir die drei Stücke Der Selbstmörder (allerdings ohne den letzten Absatz mit dem Mönch), die Mückenschlacht und Schmaler Tag des Kommis erwägenswert. ›Das Herz< habe ich wiedergelesen: es ist eine sehr ordentliche Arbeit, mit Witz und Ironie, aus dem Geiste Wedekinds - noch nicht natürlich der spätere Britting und doch für mich nach wie vor der Aufnahme in einen Sammelband sehr wert. Auch den Provinzler würde ich nicht so rasch verwerfen. Die Leute kennen das Fragment jetzt aus den Akzenten und würden es vermutlich vermissen. Das Herz, Der Provinzler und die Stubenfliege zusammen und in dieser Reihenfolge ergäben ein klares und notwendiges Bild des Dramatikers Britting, ein Bild mit Teilen, die sich gegenseitig erhellen. Daß ich von Paula und Bianca abrate, möge Ihnen zeigen, daß es mir nicht um Aufnahme partout jeden Federstrichs geht. Aber dieser Dreierkomplex ist schon interessant, auch der Provinzler bietet mit seiner zornigen Forciertheit (Zorn ist ja ein bedeutendes Schaffensmotiv bei Britting gewesen, er konnte darüber sehr produktiv werden) eine letztlich faszinierende Bildwelt. Vielleicht müssen wir von unserem derzeitigen, etwas beruhigten Geschmack absehen. Die Stücke sind ihrer Entstehungszeit gemäß und historisch relevant, weswegen sie auch einer Gesamtausgabe zugehören sollten. Der Nachlaßband gibt doch sozusagen die letzte Chance dazu. 
[...] Ich weiß, daß ich mitunter entschieden auch das Jugendlich-Kraftstrotzende gegen das spätere Milde bei Britting zu behaupten versuche. Ich bin sicher, daß es zu seinem Werk gehört, sowohl unter werkimmanenten als auch unter allgemein literaturgeschichtlichen Gesichtspunkten.
Dieser Brief trug zu der Entscheidung bei - die dem Band dann auch den Titel gab -, Brittings dramatische Periode zu berücksichtigen und seine frühe Prosa mit aufzunehmen. Über die Stubenfliege waren sich die Herausgeber schnell einig, daß sie nicht fehlen dürfe; Jung zögerte ein wenig, dem Abdruck des Herz zuzustimmen; den Provinzler betreffend schrieb er: 
Ich habe ein Blatt aus der Vossischen Zeitung vom 27. Mai 1927, das die redaktionelle Bemerkung trägt: »Dies sind die Einleitungsszenen einer fünfaktigen Komödie des Verfassers, der unseren Lesern bisher hauptsächlich als Lyriker vorgestellt wurde.« Britting hat es mir vor Jahren einmal geschickt. Ist denn noch mehr von dieser Komödie erhalten? Nach diesem prachtvollen Anfang wäre es wünschenswert.
Die Komödie gehörte aber zu den Manuskripten, die Britting im Beisein seines Freundes Seyboth 1928 in die Isar geworfen hatte. Hermann Seyboth berichtete dies Georg-Britting-Stiftung Britting nach Brittings Tod: 
Selbstverständlich kannte ich die Komödie: die war fix und fertig. Die auftretenden Figuren leben zum Teil heute noch. Der Provinzler ist Josef Michtl in Regensburg; dessen Frau Hermine ist ebenfalls erkennbar. Der ziegenhaltende Schwiegervater war der verstorbene Hauptlehrer Sittler. 
Höllerer veröffentlichte im August 1964 (postum) in der Zeitschrift Akzente den erhalten gebliebenen ersten Akt. (Siehe Bd. 1, S. 52o.)
..........................

 

BERICHTIGUNG

Das Gedicht ohne Titel (»Was immer die Deutschen ...«) in Bd. 2 auf S. 224 ist im Anhang auf S. 363 irrtümlich dem Sammelband Dem Führer. Gedichte für Adolf Hitler (hg. von Karl Hans Bühner, Stuttgart u. Berlin: Georg Trunckenmüller Verlag, 1939) zugeordnet. 
Weder in der ersten noch in allen folgenden Auflagen dieser Ausgabe ist das Gedicht enthalten. Deshalb kann das zitierte Geleitwort von Philipp Bouhler sich auch nicht auf Britting beziehen. 
Das Gedicht findet sich erst in der mit D gekennzeichneten Anthologie des Titels Dem Führer. Worte deutscher Dichter (ausgewählt von Friedrich Velmede) aus dem Jahr 1941. 



 

Bei dem Gedicht »Wintermorgen am Fluß« in Bd. z (S.194 bis 198) sind die letzten sechs Zeilen versehentlich zweimal hintereinander gesetzt.

.............................................