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Lieferbare Ausgabe:

Georg Britting
Sämtliche Werke  

Taschenbuchausgabe
in 23 Bänden

Band 2  "Rabe, Ross und Hahn"  Seite 48

Editionsnotiz zu dieser Ausgabe

Georg Britting
Sämtliche Werke 
- Rabe, Ross und Hahn -   Band 2   Seite 169

© Georg-Britting-Stiftung - Alle Rechte vorbehalten /  
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Der Berg

Durch Wälder hinauf, durch die dunklen,
Die feuchten Wege hinan!
Es drohte der Tann
Aus der Kluft mit atmendem Blasen,
Es scheuchten die Tritte den Hasen
Hoppelnd davon.

Dann schob sich der Berg
Nacktbrüstig mit Felsen
Hoch über den Waldrand,
Achtlos nachschleppend
Die schwarzen Gewänder
Hinter sich her.

Jäh von der Steinwand
Hob sich ein Vogel
Mit kreischendem Schrei.
Die Gemse jagte
Übers Geröllfeld
Flüchtend vorbei.

Und schon durch die Wirrnis
Von Trümmern und Brocken,
Wie wütend geworfen von oben,
Im Aufprall zersplitternd,
Den Zutritt zu wehren,
Stieg nun der Pfad, wie zitternd,
In Schleifen und Kehren
Zum Gipfel.

Da sprang ein Wind aus den Weiten
Den Wanderer an,
Und im flatternden Mantel
Der Sturm sang, und knatternd gefiedelt
Bog sich die zwergige Föhre,

Kühn angesiedelt
Neben dem Steinturm.

Der Berg war allein und für sich, ganz ohne Verbindung
Zu andern, vereinsamt in furchtbarem Stolz.
Weit drüben nur rollte
Die feurige Kette
Der glühenden Häupter
Unter dem Himmel.

Vom Eisloch, neben dem Krummholz,
Blitzte es weiß her,
Für immer schimmernd
Und ohne Schwindung,
Weil auch der Sommer,
So heiß er es wollte,
Das Eis nimmer schmolz.

Der Himmel, groß ruhend im Schweigen,
Wie lichtlos, und ohne
Die Sonne zu zeigen,
Plötzlich, und während es ringsum geisterhaft still blieb, 
Jagte er nieder, auf ihn zu,
Der schauend verweilte,
Wild einen Hagel stechender Nadeln,
Mit einem Fausthieb
Ihn zu vertreiben.

Und wie er sich duckte,
Dem Sturmstoß sich stemmte,
Stürzte wie Donner
Unsichtbar in Schluchten
Ein Schneebrett zu Tal.

Da klopfte dem Kühnen
Unter des Mantels

Steif klirrenden Falten,
Die krachend zerbrachen,
Wenn er sich rührte,
Erbangend das Herz.

Steigend zur Tiefe
War ihm, es blickten
Riesengesichter,
Aus eisigen Augen
Schrecklich verachtend,
Lange ihm nach.

Aus der gezackten, felsigen Nase
Schnob es wie dampfend,
Es schlugen die Äste
Der Latschen ihn peitschend,
Während der Eisbach
Die Füße ihm näßte,
Polternd hinab.
Wo mit zerbrochenen
Knochen der Baum silbern glänzte,
Bei der Steinklippe
Klaffend getürmt,
Lag das Gerippe
Des Auerhahns, federnlos, bloß.

Ein Stoß mit dem Schuh:
Da flog es im Bogen,
Wie es befiedert früher geflogen,
Rauschend dem Dornenstrauch zu.
Stachlig empfangen und schaukelnd gewogen
Kam es aufseufzend zur Ruh,
Hangend am Dornstrauch zur Ruh.

Es hatte die Hütte,
Naß hockend am Wegrand,

Umhaucht von den Dünsten 
Aufsteigend vom Sturzbach, 
Fenster vernagelt und T'ür.

Das klebrige Pech,
Aus dem eisernen Tiegel
Am hölzernen Vorplatz
Schwarz starrend geflossen
Über die Stufen,
War wie der Ödnis
Hütendes Siegel.

Wie Geister schoben
In flatternden Hemden
Über die Wiese
Die Nebel sich her.
Es hoben die Disteln
Abweisende Spieße
Auf gegen den Fremden. 

Doch als er sich wandte,
Sah er durch Wipfel
Das Dorf, das er kannte,
Tief unten, doch tröstlich schon nahe gerückt 
Die Häuser in Gärten,
Weiß leuchtende Giebel,
Und funkelnd darüber die mächtige Zwiebel
Des Kirchturms am See unter goldnem Gewölk.

Auch lief nun der Weg schon
Gemächlich und breiter
Durch lichtes Gehölz hin und Moor.
Und heiter
Traf das Geläute von weidenden Herden 
Des Schreitenden Ohr.

Und ein bläulicher Falter,
Vom Boden aufschwebend,
Die Flügel sanft rührend,
Flog, wie ihn führend,
Am Weg ihm voran,
Hinunter zum Dorf ihm voran.