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Georg Britting
Sämtliche Werke  - Prosa -
Herausgegeben von Walter Schmitz
Band 1 - Frühe Werke - Seite 24

                    Anmerkungen

Unter den Schwibbögen

Sie ist immer dunkel und düster, die Schwibbogenstraße. Selbst im hohen Sommer gewährt sie dem Licht nur zögernd und widerwillig Eintritt und sieht mit scheelen Augen die gleißenden Strahlenbündel, die die Sonne in schelmischem Übermut gegen die schwärzlichen Wände der Häuser wirft. Der Spätherbst mit seinen grauen, nebligen Tagen ist ihr die liebste Zeit des Jahres. Nur selten und auf kurze Weile dringt jetzt flutendes Licht in die enge finstere Straße, die, stets kalt und feucht, in ihrer abweisenden Ruhe Bilder mittelalterlicher Zeiten heraufbeschwört. Die krummen, winkligen Häuser stehen in der frühen Dämmerung des Novembers wie verzauberte Kobolde. Der Ausblick gegen die Goliathstraße zeigt abenteuerlich verschnörkelte, reizvoll gebrochene Linien der Häuserkonturen, die wie Silhouetten in die Helle geschnitten sind, die die aufblitzenden Lichter der Stadt am Abendhimmel verbreiten. Der mächtige Torbogen der Porta Praetoria starrt drohend und finster. Wuchtig und voll verhaltener Kraft wölben sich die riesigen Blöcke, eisenfest auf einandergetürmt. Die Schatten vieler Jahrhunderte umschauern das uralte Gemäuer. Braune, sehnige Kriegergestalten mit blitzenden dunklen Augen, in schimmernde Rüstungen gehüllt, geschient und den schweren Helm auf dem Kopf, das kurze, breite Römerschwert an der Seite, sitzen um das lodernde Wachtfeuer, das vor dem Südtor der Castra Regina hellen Schein wirft. Soldaten des Römerkaisers Marc Aurel halten das Castell besetzt, das hier bis knapp an die Donau vordringt ... »Porta Praetoria des Römischen Castells Castra Regina. Erbaut um 179 nach Christus von Kaiser Marcus Aurelius.« So sagt eine Inschrift an dem unverwüstlichen Bauwerk. Neben diesen steinernen Zeugen einer großen Vergangenheit hat man einen weiten Platz freigelegt. Die alte Braustätte der Bischofshoferbrauerei stand hier. Im dunkelnden Abend leuchten in drei feinen und schlanken Kurven die weißen Bogen eines Kreuzganges. In den grauen Abendhimmel ragt der Dom, der über das seltsam gegiebelte Häusermeer hinauswächst, dessen schlanke Türme in ruhiger Schönheit zur Höhe streben. Langsam und wuchtend fallen Glockenschläge in die Stille. Die Straße ist fast menschenleer. Nur bisweilen hallen die Schritte Vorübergehender, die eilig ihren Weg dahinstreben und deren Schatten in dem zitternden Licht der Gaslaternen seltsam huschen. Von der Mauer eines Hauses löst sich bröckelnd ein Stück Mörtel und fällt mit leisem Laut auf dem Boden auf Am wolkenbedeckten Himmel blitzen in einer Lücke ein paar Sterne auf. Von ferne dringt der Straßenlärm und das Klingeln der Elektrischen - ein Ton wie aus einer anderen Welt.