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Georg Britting
Sämtliche Werke  - Prosa -
Herausgegeben von Walter Schmitz
Band 1  Seite 205
Kommentar Seite 640
Aus: »Erzählungen, Bilder, Skizzen«


Schmaler Tag des Kommis

Er blies wie beruhigt den Rauch seiner Zigarre ins Blaue und täuschte sich ein Gleichgewicht vor, in dem er sich nicht befand. Die schwarzen Schnäbel der Schiffe hackten erbittert auf den unbewegten Spiegel. Hinterrücks überfiel ihn straßenräuberisch lauernder, unausbleiblicher Vergleich. Aus der Luft schnitten sie gläserne Türen, die vor keinem Steinwurf zerbrachen. Der Hafen kreiste ihn ein. Die Spinnenarme der Krane griffen mächtig ins Leere. Er dachte einen Augenblick lang an Indien, oder an San Francisco, oder an ein Bordell in Stockholm. Schienen funkelten. Netze von Gerüsten durchflochten den Raum. Teer dampfte. Der Hund, gröhlend am Heck, Sidney, Palmen, Sago, Fieber. Möven klatschten aufs Meer. Dünner Trost: Du entrinnst dir auch dort nicht. Dann heftige Ablehnung des stets vergeblich unternommenen Versuches, sich zur Welt zu erweitern. Er fluchte verzweifelt, lief davon und bestellte im Gasthaus die doppelte Portion. Das Mädchen, schmaler Schuh und hochgetürmtes Haar, lockte zu rasender Flucht in dunkel geahnten, möglichen Ausweg. Sie schlief ohne Umstände bei ihm. Als er früh erwachte und quer über ihr lag, riefen die fremden Stimmen ferner und unerbittlicher. Er aber kreuzte wieder mit totem Segel. Ihr Mund röchelte ihm geöffnet entgegen. Er stieß tief seine Zunge hinein. Spiralen von roten Horizonten umwirbelten ihn. Der Kontorstuhl krächzte. Er überblickte zehntausend kommende Tage. Vorläufige Erlösung bot nur Lohnaufbesserung. Und etwa Esperanto.

[1920]